Die Halle als große Maschine

In der Reihe der documenta-Standorte nimmt die documenta-Halle eine Sonderstellung ein. Als ein Ort der Kommunikation weist sie in das 21. Jahrhunderte.

Jan Hoet war begeistert, als er 1992 die documenta-Halle als neuen Spielort für seine Ausstellung übernehmen konnte. Er wollte sie zur großen Maschine machen. Die Meinungen darüber, ob er die zentrale Halle in den Griff bekommen habe, gingen allerdings sehr auseinander.

Catherine David hingegen war überhaupt nicht glücklich über das Gebäude. Ihr Wort von einer „Squash-Halle“ machte die Runde, und anfangs befürchteten einige, die Halle würde zum Presse- und Medienzentrum degradiert. Doch das Gegenteil passierte. In der Zusammenarbeit – vor allem mit drei österreichischen – Künstlern gelang etwas, was viele in Erstaunen versetzt: Die Halle wurde genau zu der großen Maschine, die Jan Hoet fünf Jahre zuvor versprochen hatte.

Die documenta-Halle wurde zum Ort einer Kommunikation, die auf vielen Ebenen stattfindet und die vielfach verschlungen ist. Peter Koglers die gesamte Eingangshalle überdeckende Tapete deutet mit ihrem Röhren-Schlauch-System bildlich an, worum es inhaltlich geht – um den Austausch von Bildern, Gedanken und Theorien.

Dieser Austausch findet einmal sehr unmittelbar in der direkten Begegnung und Diskussion statt – in den stets gut besuchten Abendveranstaltungen der Reihe „100 Tage – 100 Gäste“. Heimo Zobernig und Franz West haben für diesen Zweck den zentralen Raum in eine große Skulptur verwandelt
– mit einer saalhohen, im Stahlrahmen verspannten Projektionswand, mit farbig überzogenen Stühlen, mit von der Decke hängenden Lautsprecherboxen und zwei Reihen aus je fünf Monitoren, die auf Podesten stehen. Das technische Zentrum bilden dabei zwei aufeinandergesetzte orangefarbene Container.

Diese Ausstattung hat sich an den Diskussionsabenden bestens bewährt. Sie gibt der Halle aber auch dann Kraft und Gestalt, wenn sie tagsüber leer ist. Ergänzt wird die von Künstlern entwickelte Hallenstruktur durch das System transparenter Bücherregale, das Vito Acconci schuf. Die Buchhandlung, die sich auch als Lese-Bibliothek anbietet, ist auch für den Kölner Kunstfachbuchhändler König ein Experiment: Sie hält ausschließlich Theorie- und Künstlerbücher bereit. In dieser Form, in der Kunst unmerklich in Design übergeht, funktioniert die Halle hervorragend.

Die Kommunikation von heute und morgen ereignet sich aber auch virtuell. So ist auf
der anderen Seite ein Raun eingerichtet worden, in dem die Besucher sich an Bildschirmen die documenta-Beiträge im Internet ansehen können. Doch daneben gibt es auch noch drei „richtige“ Künstlerräume ii der documenta-Halle. Der wildeste, aufregendste und die Sinne am stärksten provozierende ist ganz am Ende in dem Kabinett zu finden: Mike Kelley und Tony Oursler, die als Studenten zusammen musizierten, haben dort eine lärmende Raumcollage aus Bildwänden, Videos und Klängen entwickelt, die genau das bietet, was etliche Kritiker und Besucher sonst in der documenta vermissen.

HNA 10. 7. 1997

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