Grundrecht auf Internet-Zugang?

Zur documenta IX war das Internet noch kein Thema. Jetzt sind gleich zwei große Ausstellungsräume dieser neuen Kommunikationsebene gewidmet. In der Orangerie ist ein Labor eingerichtet.

Helfen uns die Computer und deren internationale Vernetzung (Internet), den Gedankenaustausch und die Verständigung zu verbessern? Und wenn das so sein sollte, muß es dann rund um die Welt für jedermann Personal-Computer (PCs) und freien Zugang zum Internet geben? Ist also das Grundrecht auf unkontrollierte Internet-Teilnahme einzufordern?

Diese und ähnliche Fragen warf gestern eine Pressekonferenz auf, zu der die Gesellschaft für Alte und Neue Medien Amsterdam in die „Hybrid WorkSpace“ in der Kasseler Orangerie eingeladen hatte. Die Forderungen waren klar. Verlangt wird ein ungehinderter Zugang zum Internet und eine möglichst große Bandbreite, das heißt eine möglichst hohe Geschwindigkeit bei der Datenübermittlung. Denn Bandbreite, so war als Slogan auf einer Bildschirmseite zu lesen, ist das Kapital der Informationsgesellschaft. Die Gesellschaft für Alte und Neue Medien hatte seit dem 8. Juli den Orangerieraum vorwiegend dazu genutzt, mit Hilfe von verteilten Fragebögen und Internet-Aussendungen zu erkunden, wie dicht das Internet ist und über welche Bandbreiten die Anwender verfügen.

Was hat das alles mit Kunst und der documenta zu tun? Nun, die documenta versteht
sich als ein kulturelles Forum, bei dem die Ausstellung nur eine von mehreren Ebenen bildet. Und wenn man sieht, daß die Zahl derjenigen, die an der Diskussionsreihe „100 Tage – 100 Gäste“ per Internet teilnehmen, um ein Vielfaches größer ist als die Zahl der abendlichen Zuhörer, dann erahnt man vielleicht, welche Bedeutung dieser Kommunikationsweg gewinnen kann.

Während die künstlerischen Internet-Projekte der documenta und die Übermittlung der Diskussionsrunden per Computer-Vernetzung feste Angebote bilden, besitzt das, was in der „Hybrid WorkSpace“ passiert, Werkstattcharakter.

Der Raum in der Orangerie mit seinen Computern und Großbildprojektionen ist eine Art Forschungsprojekt, bei dem die im Internet steckenden Möglichkeiten erkundet, reflektiert und diskutiert werden. Entstanden ist dieser Beitrag aus der Zusammenarbeit von documenta und Berlin Biennale. Und wie es für ein Internet- Projekt angemessen ist, findet der Gedankenaustausch nicht nur unter den Anwesenden in dem Orangerieraum statt, sondern auch elektronisch und weltweit.
Jeder Besucher ist eingeladen, an diesem Dialog teilzunehmen, der sich um die technischen und rechtlichen Fragen des Netzes ebenso drehen kann wie um gesellschaftliche und künstlerische Probleme.

Die „Hybrid WorkSpac wird im regelmäßigen Wechsel Gruppen zur Verfügung gestellt, die gemeinsam mit Besuchern als Redaktionen wirken wollen, um Text-, Bild- und Radiobeiträge für das Internet zu produzieren. Vom 18. bis 25. Juli wird das Kunstradio Wien unter dem Motto „Recycling the Future“ im Orangerieraum anzutreffen sein.
„Hybrid WorkSpace“ ist wie folgt zu erreichen: Internet-Adresse http://www.documenta.de/workspace.

HNA 17. 7. 1997

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