Joseph Beuys gehört dazu

Der künstlerische Leiter der documenta IX, Jan Hoet, kam zu einer Diskussion nach Kassel. Es ging um Joseph Beuys und die Ausstellung von Catherine David.

Daß sich der Vorgänger und die Nachfolgerin nicht grün sind, ist bekannt. Bevor zu ahnen war, daß die documenta-Leitung für 1997 in die Hand einer Französin gegeben würde, machte der Flame Jan Hoet aus seiner Abneigung gegenüber den Franzosen keinen Hehl. Nachdem dann aber Catherine David keine Gelegenheit ausgelassen hatte, die documenta IX als Kirmes einzustufen und sich deutlich von ihr abzusetzen, war absehbar, daß Hoet und David nicht zu einem gemeinsamen Gespräch finden würden. Im Gegenteil, die Lust, die Scharmützel fortzusetzen, scheint groß zu sein.

So ließ sich jetzt der Genter Museumsdirektor Jan Hoet zu einer Vortragsveranstaltung in die Beuys-Ausstellung im Kasseler Staatstheater einladen, die bekanntermaßen von der documenta-Leitung als Ärgernis empfunden wurde. Es kam, wie es kommen mußte – Jan Hoet nutzte den Vortrag, um seine Kritik an Catherine David und deren Ausstellung unterzubringen.

Den Ansatz dazu fand er in dem gestellten Thema: ,,Beuys im Wandel der Zeit“. Joseph Beuys, so formulierte Jan Hoet, sei der erste Künstler, der sich mit der documenta identifiziert habe. Daher sei es schade, daß er in der documenta X nicht vertreten sei. Außerdem könne man nicht den Anspruch erheben, sich mit der Stadt und der Nachkriegsgeschichte auseinanderzusetzen, und gleichzeitig von Beuys absehen.

Später wurde Hoet noch deutlicher: Der Ausstellung fehle es an Poesie und Rhythmus
Die documenta müsse Kunst zeigen und nicht über Kunst nachdenken. In der Diskussion schränkte er aber seine ablehnende Haltung ein: In der documenta X gebe es „unglaublich schöne Punkte, Kommas und Tremas“ – also einzelne künstlerische Arbeiten. Als die schönste Arbeit bezeichnete er das kastenförmige Objekt von Emilio Prini im Ottoneum.

Und Joseph Beuys? Der war zeitweise vergessen, obwohl man inmitten der Fotos saß, die an ihn erinnern. Hoet würdigte das Schaffen von Beuys, die Energie, die von seinem Werk ausgeht, und meinte, Mondrian und Beuys seien die beiden größten Künstler des 20. Jahrhunderts. Franz-Joseph van der Grinten, der zusammen mit seinem Bruder die Bilder für die Ausstellung bereitgestellt hat, verband die Erinnerung an Beuys‘ Herkunft mit der Charakterisierung seiner Genialität. Die Frage jedoch, ob „Kunst in der Fotografie gesellschaftlich etwas verändern könne“, die der Untertitel der Veranstaltung angekündigt hatte, wurde nicht einmal gestreift. Dabei wäre deren Beantwortung für die Beuys-Fotoschau und die documenta spannend gewesen.

HNA 13. 7. 1997

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