Nicht erst hingehen?

Zwanzig, dreißig Programme im Fernsehen? Kein Problem. Wir sehen sie alle, wir zappen uns durch. Nach diesem Muster schauen wir uns auch Ausstellungen wie die documenta an: Aha, viele kleine Bilder registriert. Das reicht. Und schon geht es weiter.

Wem das aber noch zu viel ist, der mag sich beruhigt an Jean-Christophe Ammann, den Direktor des Frankfurter Museums für Moderne Kunst, halten: Der brauchte erst gar nicht in die documenta zu gehen, um zu ihr und deren künstlerischer Leiterin auf Distanz zu gehen.

Daß sich der Museumsdirektor da nicht anders verhält als ein Stammtischredner, sei ihm zugestanden. Warum soll er nicht auch sagen können, daß „in Paris der Kunst immer in den Arsch getreten wird“, und damit in Anspielung auf documenta-Leiterin Catherine David der „Woche“ für sein Interview die Schlagzeile liefern? Soll er doch. Mag er auch darüber sinnieren, ob man nicht genügend recherchiert habe – was die Persönlichkeitsstruktur von Catherme David angehe.

Pikant wird die Sache nur dadurch, daß Ammann der Vorsitzende jener Kommission war, die Catherine David ausguckte. Natürlich ist es ehrenvoll, wenn ein solcher Vorsitzender auch mal einräumt, man habe sich bei der Auswahl geirrt. Wenn er als Museumsmann, der für die direkte Auseinandersetzung mit der Kunst wirbt, aber so spricht, bevor er die documenta überhaupt betreten hat, dann disqualifiziert er sich für das Ehrenamt.

HNA 7. 7. 1997

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