100 Tage – 100 Gäste: Thomas Tode

Er ist Filmemacher und Publizist. Doch als Thomas Tode (Jahrgang 1962) mehr über sich erzählen soll, winkt er ab: Heute Abend in der documenta-Halle gehe es ja gar nicht um ihn und seine Arbeit, sondern um seinen großen und viel bewunderten Kollegen Chris Marker (Jahrgang 1921). Ihn und seine CD-Rom „Immemory“ will er vorstellen. Tode ist also nur das Medium; und Marker ist auf solche Vermittler angewiesen, weil er selbst solche öffentlichen Auftritte scheut.

Thomas Tode, der gerade ein Buch über Chris Marker geschrieben hat, das demnächst vom Institut Fracais in München herausgegeben wird, kommt ins Schwärmen, wenn er über den französischen Filmemacher spricht. Marker ist für ihn ein Klassiker des sogenannten Essay-Filmes und darüber hinaus ein „notorischer Avantgardist“.

Immer habe er sich an die Spitze der Bewegung gesetzt, habe neue Ausdrucksformen und Techniken ausprobiert. So habe er zu den Pionieren des 16-mm-Films gehört, später sei er mit seinen Bewegungs- und Reflexionsfilmen Vorreiter gewesen und habe frühzeitig die Videotechnik genutzt.

Und nun eröffne er der filmischen Erzähltechnik mit seiner CD- Rom eine neue Dimension. Marker hat sich aber auch als Autor von Gedichten und einem Roman einen Namen gemacht.
In „Immemory“ geht es um den Umgang mit der Erinnerung – um ein „unmögliches Gedächtnis“. Während der Film das Eindringen in die Erinnerung vorschreibt und auch bei komplexen Montagetechniken nur einen Weg der Darstellung kennt, bietet die CD-Rom die Möglichkeit an, daß jeder Betrachter seine eigenen Erinnerungswege geht. Die CD-Rom ist in verschiedene Zonen aufgeteilt, in die sich der Nutzer hineinwählen kann, in die man durch Verknüpfungen auch unfreiwillig geführt wird. Tode ist sicher, daß die Kostproben aus der CD-Rom die Lust am Entdecken fördern werden.

HNA 27. 8. 1997

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