Hinter den Kulissen der documenta X wird eine neue Technik der Bilddokumentation erprobt. In einem Expertengespräch wurde erörtert, inwieweit die Erfahrungen übertragbar seien.
Der Ausstellungsbetrieb lebt vom Kunstaustausch. Wertvolle und empfindliche Bilder sowie Objekte müssen sorgsam transportiert werden. Da die Preise, insbesondere für die zeitgenössische Kunst hochgeschnellt sind, stiegen auch die Vorschriften und Prämien der Versicherungen. Das hat zur Folge, daß sich das Berufsbild des Kunst-Restaurators erheblich erweitert hat. Die Restauratoren müssen, wie gestern Jesus del Pozo vom documenta-Team in Kassel erklärte, nicht bloß Schäden beseitigen. Der weitaus größere Teil ihrer Arbeit bestehhe darin, Vorsorge zu treffen. Das heißt: Die Restauratoren müssen den Kunsttransport mit in Empfang nehmen, sie sollen das Auspacken überwachen (um daraus auch die Lehren für den Rücktransport zu ziehen), müssen dann eine genaue Bestandsaufnahme des Werkes protokollieren und wirken in der Regel beim Hängen oder Aufstellen mit.
Diese Arbeit ist zeitaufwendig und normalerweise mit viel Papierkram verbunden. Deshalb hat das documenta-Restauratorenteam mit Unterstützung von Sony und IBM ein neues Dokumentationsverfahren entwickelt: Mit einer kleinen digitalen Videokamera können die Kunstobjekte beim Auspacken und beim Aufbau dokumentiert werden. Die Video-Aufnahmen werden als Film oder Standbilder in ein Computerprogramm übernommen, in das auch alle wichtigen geschriebenen oder gesprochenen Angaben zu dem Künstler und seinem Werk wandern. Auf diese Weise entsteht eine umfassende, papierlose Bestandsaufnahme.
In einem von der documenta veranstalteten Kolloquium wurde jetzt in Kassel erörtert, ob auch für andere Museen und Ausstellungshäuser dieser Weg praktikabel sei und inwieweit Bild- und Datenmaterial beim Kunsttransport ausgetauscht werden könne. So wäre es denkbar, daß die Videokassette vom Aufbau eines Werkes mit dem Objekt auf die Reise geht. Das Handikap vieler Häuser dürfte aber sein, daß sie von solchen technischen Voraussetzungen nur träumen.
HNA 30. 8. 1997