Die documenta lebt

Beim 100-Meter-Lauf ist ein neuer Rekord ein Wert an sich, bei der Besucherbilanz einer Ausstellung nicht. Die rund 631 000 Besucher, die zur documenta X kamen, sind kein Beweis dafür, daß diese Ausstellung besser war als ihre Vorgängerinnen. Dieser Besucherrekord ist in erster Linie ein Triumph der Institution documenta: Sie hat sich als das Forum für die Auseinandersetzung mit zeitgenössischer Kunst und Kultur durchgesetzt. Und wenn der erneut angestiegene Publikumsandrang eine Botschaft enthält, dann die, für das Jahr 2002 die nächste documenta zu planen.

Dieses Ergebnis bestätigt auch das Konzept, das Catherine David und ihr Team durchsetzten. Der erfolgreiche Versuch, aus dem Ausstellungsringelreihen mit austauschbaren Namen und Werken auszubrechen, entfachte zum Glück eine bis zum Schluß anhaltende Kontroverse und machte so das Unternehmen documenta wieder spannend. Die Achse vom Kulturbahnhof zur Fulda, die 100 Tage lang einem internationalen Boulevard glich, wird ab heute wieder alltäglich leer sein. Die documenta war doch zu einem Fest geworden. Wenn Kassel nicht in ein tiefes Loch fallen will, dann muß die Stadt mehr tun, als nur auf das nächste Fest in fünf Jahren zu warten.

HNA 29. 9. 1997

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