Jan Hoet hat bei der vorigen documenta die Marke hoch gesetzt. Er und sein Team verhalfen der Kunstschau nicht nur zu einem neuen Besucherrekord, sondern schafften es auch, die Ausstellungsidee in einer ungewöhnlichen Weise zu popularisieren. Gewonnen hatte dabei auch die Stadt und deren Lebensrhythmus.
Der daraus entstandene Erwartungsdruck lastet nun auf Catherine David und ihrer Mannschaft. Also war es kein Wunder, daß diejenigen, die eine große Inszenierung erhoffen, das Schlimmste befürchteten, als es statt Informationen über das Konzept nur Meldungen über Auseinandersetzungen um die Geschäftsführung gab und als sich die künstlerische Leiterin gegen Jan Hoet abgrenzte und dem Kunstrummel eine Absage erteilte. Würde denn eine stille documenta auch noch die erwünschte Wirkung entfalten?
Allmählich scheinen die Zweifel und das Mißtrauen, insbesondere in der Geschäftswelt, gegenüber dem documenta-Team zu schwinden. Mag sein, daß die Hinweise auf den Fortgang der Planung (80 Künstler sollen bereits feststehen) ebenso zum Vertrauenszuwachs beigetragen haben wie die Professionalität, mit der Geschäftsführung und Ausstellungsleitung arbeiten. Jetzt wurde bei einer Veranstaltung des Verkehrsverein nicht nur ein Schlußstrich unter die Zeit des Unbehagens gezogen, sondern wurden sogar Partnerschaft und Freundschaft propagiert. Daß man dabei stillschweigend die eigene Position korrigierte, war nicht zu überhören: Kein Versuch mehr, irgendwie auf die Gestaltung der documenta X einzuwirken, sondern das uneingeschränkte Bekenntnis zur alleinigen Verantwortung von Catherine David.
Das Bündnis der heimischen Wirtschaft mit der documenta (,Initiative 10) bringt der Kunstschau vielleicht direkt kein Geld, ist aber Gold wert. Denn nur auf einer solchen Basis des Vertrauens ist auch das Außerordentliche durchsetzbar, das zum Charakter der zeitgenössischen Kunst gehört.
Dazu paßt, daß documenta-Geschäftsführer Bernd Leifeld versprach, daß sich die documenta X mit Hilfe von Container-Zeilen auch wieder ein besucherfreundliches Umfeld schaffen wolle. Das ist gut und auch notwendig. Trotzdem droht hier auch eine Gefahr. Denn ein großer Teil der Kritik an der documenta IX entzündete sich genau an dem Jahrmarkt, in den sich der Friedrichsplatz und die Treppe zur Aue verwandelt hatten: Der Kunstspaziergang war zum Bummel über den Flohmarkt geworden, auf dem man abschnittsweise die Kunst kaum noch fand. Das heißt, daß die documenta-Leitung sehr wohl aufpassen muß, daß der in der Stadt willkommene Trubel nicht überschwappt und daß die documenta-Achse vom Hauptbahnhof zur Fulda als Kunstachse erkennbar bleibt.
HNA 27. 4. 1996