„Kasseler sollen sich auf die documenta freuen“

Die in Paris lebende Kunstkritikerin Maribel Königer ist neue Pressesprecherin der documenta X. Über ihre neue Aufgabe, ihre Vorstellungen und Einschätzungen zur Weltkunstausstellung in Kassel sprachen mit ihr Dirk Schwarze und Claudia Hohmann.

Frage: Sie sind seit knapp zwei Wochen Pressesprecherin der documenta. Wie ist ihr erster Eindruck?

Königer: Sehr positiv. Die Stimmung im Team ist sehr gut, die Atmosphäre ist offen und arbeitsintensiv.

Sie lebten bisher als freie Kunstkritikerin in Paris. Wie sind sie denn zu Ihrer neuen Aufgabe gekommen?

Königer: Ich bin gefragt worden. Daß ich französisch spreche, journalistische Erfahrung habe und schon einiges wußte über die Konzeption der documenta X, waren wohl die Gründe, warum man mich gefragt hat.

Hatten Sie nicht Bedenken so kurzfristig einzusteigen, nachdem ihre Vorgängerin so schnell ausgeschieden war und es da mit der Zusammenarbeit ja offensichtlich Probleme gab?

Königer: Nein, ich habe mich ziemlich schnell entschlossen. Die documenta ist für mich eine unheimlich spannende Angelegenheit. Hier eine Mittlerfunktion zu übernehmen, ist eine sehr reizvolle Herausforderung. Die Personalquerelen haben bei meiner Entscheidung kaum eine Rolle gespielt. Ich war mir ziemlich sicher, daß ich mit Catherine David und ihrem Team gut zusammenarbeiten würde.

Seit wann kennen Sie Catherine David?

Königer: Ich kenne sie persönlich, seit sie documenta-Chefin geworden ist. Damals habe ich gleich ein Interview mit ihr gemacht für die Süddeutsche Zeitung – und später auch eines für Focus. Ich fand die Vorstellungen und die Konzeption von Catherine David von Anfang sehr spannend. Diese zehnte documenta wird thematisch so breit angelegt sein, wie nie eine zuvor. Und Catherine David hat sich intensiver mit dem Ort, mit Kassel, auseinandergesetzt als die Ausstellungsmacher vor ihr. Das hat mich sehr beeindruckt, und sie hat sich wohl durch meine Darstellung auch verstanden gefühlt.

Also gute Voraussetzungen für eine enge Zusammenarbeit?

Königer: Absolut. Es gibt keine Sprachprobleme und keine Verständnisprobleme.

Können Sie noch ein bißchen mehr erzählen über die Konzeption?

Königer: Kernstück der documenta wird natürlich wieder die Ausstellung sein, an den verschiedenen Orten. Daneben wird es aber mit Theater, Film, Internet und dem 100-Tage- Programm andere künstlerische Ausdrucksformen geben, die ebenso dazugehören. Darüber können sich ganz neue Zugänge eröffnen und es wird sicher auch ein breiteres Publikum angesprochen. Auch in der Idee der „Retroperspektive“ steckt eine Anleitung zur Wahrnehmung – nicht im Sinne von Disziplinierung, sondern im Sinne von Angebot. Durch den Blick zurück, den die documenta X durch die Präsentation wichtiger Werke ermöglicht, können Einflüsse deutlich werden und in der Konfrontation mit neuen Arbeiten überprüft werden.

Was erwartet die Besucherinnen und Besucher mit dem 100-Tage-Programm?

Königer: An jedem der 100 Ausstellungstage wird es in der documenta-Halle ein Gespräch geben mit einem eingeladenen Gast, der zu einem Thema aus seinem Fachgebiet sprechen wird. Das werden aber nicht nur die Überflieger sein und auch nicht nur Philosophen oder Kunstkritiker, sondern ganz unterschiedliche Menschen, die Kunst aus verschiedenen Blickwinkeln wahrnehmen.

Wann wird denn die Liste der teilnehmenden Künstlerinnen und Künstler feststehen und wie viele werden es etwa sein?

Königer: Bereits jetzt steht fest, daß es um die 250 Teilnehmer geben wird, wenn man die bildende Kunst, Film, Theater und die Teilnehmer des 100- Tage-Programms zusammennimmt. Im Februar werden wir darüber ausführlicher informieren. Wie weit die Vorbereitungen sind, kann man daran sehen, daß bereits festgelegt wird, welche Rahmen für bestimmte Fotografien ausgewählt werden sollen.

Wie wird denn das Publikum während der Ausstellung informiert werden?

Königer: Es wird ein Buch geben, einen Essay-Band, der anläßlich der documenta X Resümee und Vorausschau gleichermaßen sein wird. Daneben gibt es einen Führer durch die Ausstellung, der die Künstler und ihre Werke vorstellt.

Wie lange sollte sich denn der „ideale“ documenta-Besucher Zeit nehmen?

Königer: Das kann man nicht generell sagen. Es gibt ja ganz unterschiedlicher Interessen. Über diese documenta wird man sogar im Internet spazieren können. Zwei, drei Tage sollte man schon Zeit haben, um die Ausstellung intensiv auf sich wirken zu lassen. Besucher aus der näheren Region haben ja die Möglichkeit, kürzer aber öfter die Ausstellung und das Programm wahrzunehmen.

Es hat ja im Vorfeld einige Äußerungen von Catherine David gegeben, die in Kassel mit Befremden aufgenommen wurden.

Königer: Für mich ist wichtig, wie es jetzt weitergeht und ich möchte eigentlich allen Kasselern vermitteln, daß sie sich auf die Ausstellung freuen können Sie wird sicher für ganz verschiedene Interessenkreise vieles bieten und sehr spannend und lebendig werden. Es wir keine „verkopfte“ Ausstellung, wie oft unterstellt wird.

HNA 11. 9. 1996

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