Handzeichnungen als Höhepunkt

Rückblick auf die documenta-Geschichte: Bevor die dritte Kasseler Weltkunstschau eröffnet werden konnte, war eine Krise zu überwinden. Die d III mußte von 1963 auf 1964 verschoben werden.

Noch im documenta-Sommer von 1959 warb Arnold Bode für die nächste große Kasseler Kunstschau, die 1963 stattfinden sollte. Doch ein Jahr vor dem Eröffnungstermin fragte das „Hamburger Abendblatt“ besorgt: „Schläft die documenta ein?“ Die Situation war widersprüchlich: Einerseits war nach der Stadt Kassel das Land Hessen als Träger in die documenta GmbH eingetreten, auch hatten sich die Organisatoren frühzeitig darauf geeinigt, Meisterwerke aus den letzten 50 Jahren zu zeigen, doch eine Zeitlang mangelte es an dem notwendigen politischen Impuls, außerdem ergaben sich bei der Ausstellungsvorbereitung unerwartete Schwierigkeiten.

Dazu kam noch, daß Bode die politisch Verantwortlichen hatte dafür gewinnen können, das zerstörte Schloß Wilhelmshöhe für die documenta III wieder aufzubauen. Aber der Ausbau kam nicht rechtzeitig in Gang, zudem entspann sich damals eine langwierige Diskussion um die Schloßgestalt, die ähnlich verzögernde Folgen hatte wie die jüngste Sanierungsdebatte um das Schloß. Erst im Juli 1962 fand man einen Ausweg aus der Krise, als sich der Aufsichtsrat dazu durchrang, die Ausstellung auf 1964 zu verschieben. Dabei wurde auch die räumliche Situation geklärt: Hauptschauplatz sollte wieder das Fridericianum werden; wie 1959 sollten Plastiken vor der Orangerieruine gezeigt werden; und schließlich setzte man darauf, die wieder aufzubauende Gemäldegalerie an der Schönen Aussicht (heute: Neue Galerie) nutzen zu können.

Die documenta III war die dritte und letzte documenta, die vom Gespann Arnold Bode und Werner Haftmann geprägt wurde. Bode propagierte damals sein Wort vom „Museum der 100 Tage“ für die Kasseler Ausstellung, und Haftmann verblüffte die staunende Öffentlichkeit mit seiner Begriffserklärung, daß Kunst das sei, „was bedeutende Künstler machen“. Hinter dieser Definition stand der Vorsatz, von Künstlergruppen und -schulen abzusehen und ausschließlich die einzelnen Persönlichkeiten und deren Meisterwerke zu zeigen. So wurden im Fridericianum
26 Meisterkabinette eingerichtet, die nochmals eine stolze Bilanz zogen – beginnend bei Lovis Corinth, Pablo Picasso und Paul Klee und endend bei Francis Bacon, Willem de Kooning und Fritz Winter.

Überstrahlt wurden die Kabinette aber von der Ausstellung der Handzeichnung in der heutigen Neuen Galerie. Da wurden zur Freude der meisten Besucher und Kritiker 80 Jahre Kunstgeschichte aufgearbeitet – von Cézanne bis Emilio Vedova und Emil Cimiotti. Diese von Haftmann eingerichtete Abteilung sicherte zum wesentlichen Teil den Ruf der documenta. Sie ließ vergessen, daß die Kasseler Schau ansonsten weitgehend die Position ihrer Vorgängerinnen festschrieb.

Arnold Bode erwies sich erneut als der grandiose Inszenator. Zur großen Form lief er in der Abteilung „Bild und Skulptur im Raum“ auf, in der er die traditionelle Bildpräsentation überwand und eine Vorstufe zur Installationskunst fand. Auf eigene Fat zeigte Bode zudem unter dem Dach des Fridericianums Kinetik- und Lichtkunst.

Der Beitrag der documenta zur Kunst der Gegenwart war relativ schmal und Gegenstand häufiger Kritik. Aber dort wurden wichtige Künstler in Kassel vorgestellt: der Bildhauer Joseph Beuys, der Maler Konrad Klapheck und der Pop-Künstler Robert Rauschenberg.

documenta III (1964): 1401 Werke von 280 Künstlern, 200 000 Besucher. Etatansatz 1,4 Mio. Mark, Kosten: 2,43 Mio. Mark, Erlöse und Spenden 1,02 Mio. Mark, Zuschüsse 840 000 Mark. Das Defizit von 577000 Mark wurde von Stadt und Land ausgeglichen.

HNA 15. 1. 1997

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