Seine Arbeiten wirkten oft spielerisch und heiter, doch er zielte auf einen ernsten, problematischen Hintergrund: Öyvind Fahlström (1928 – 1976) war poetisch und provokativ zugleich.
Wie so mancher der Künst1er, die wichtige Impulse für die Kunstentwicklung gegeben haben, war Öyvind Fahlström ein Seiteneinsteiger. Zwar hatte er Kunstgeschichte und Archäologie studiert, doch arbeitete er erst als Theaterkritiker und widmete sich der konkreten Poesie, ehe er künstlerisch zu arbeiten begann. Seine intensive Beziehung zur Sprache bestimmte später auch sein bildnerisches Schaffen. Wie Marcel Broodthaers arbeitete und spielte er mit der Sprache und den darin verborgenen Bildern. Andererseits setzte er Bilder ein, um mit ihrer Hilfe Gedanken und Sprachbilder zu ermöglichen. Und zuletzt schuf er auch Dokumentarfilme.
Der Sohn norwegisch-schwedischer Eltern, der in Stockholm und zuletzt auch in New York gelebt hatte, war ein Mensch, der alles zusammenbringen wollte, aber die Unmöglichkeit sah, dies zu tun. So stellte er einmal fest: Ich bedaure meine Unfähigkeit wahrzunehmen, was geschieht. In Erfahrung zu bringen, was das Leben, die Welt sind inmitten des Sammelsuriums von Propaganda, Kommunikation, Sprache, Zeit. Mit, wie es schien, spielerischer Leichtigkeit ging er gegen diese Hilflosigkeit an. Möglich wurde ihm das dadurch, daß er souverän über den Bildern stand, daß er sich alles verfügbar machen und der Mittel der Dadadisten und Surrealisten bedienen konnte. Die Ironie wurde ihm ebenso zum Stilmittel wie die Collage. Vor allem aber entdeckte er, daß die Comics mit ihren drastisch-einfachen Bildem und den Wortfetzen der Bildsprache eine neue bewußtseinsfördernde Kraft verliehen haben.
So ist es kein Wunder, daß Fahlströms Methode, mit Hilfe von Comics und Collagen seine Vorstellungen umzusetzen, in den 60er Jahren den Nerv der Zeit traf. 1968, als die Pop-art mit das Bild der documenta prägte, waren Fahlströms Arbeiten das erste Mal in Kassel zu sehen. Ein zweites Mal wurde Fahlström 1977 in der Abteilung Handzeichnungen der documenta 6 vorgestellt. Wenn nun Catherine David an sein inzwischen wieder etwas vergessenes Werk in der documenta X erinnert, dann wohl nicht, um nur ein Kapitel der Kunstgeschichte bewußt zu machen. Ihr geht es sicher mehr darum, Fahlström als den großartigen Bildjongleur vorzuführen, der eine faszinierende Leichtigkeit im Auseinandernehmen und Wiederzusammensetzen der Bilder entwickelte und dabei den Zustand der Welt reflektierte und ironisch kommentierte. ,, Bomb Hanoi now
(Bombardiert Hanoi jetzt) stand auf einem großformatigen Bild, das er 1968, als der Vietnam-Krieg den Protest der Jugend herausforderte, in der documenta zeigte.
Aber Fahlström dachte nicht nur vordergründig in politischen Bezügen: In seinem Werk verwob er auf analytische und zugleich poetische Weise die verschiedenen Ebenen des Sehens und Denkens: 1966 etwa schuf er eine dichte Collage aus Bildern über Sex und Gewalt. Auf diesem Bild befestigte er in Form von Gliederpuppen die Bilder zweier nackter Figuren die man auf- und umeinander bewegen kann. Dann wieder stellte er eine Rauminstallation aus beweglicher Malerei und Objekten zusammen, die ins Literarische und Geheimnisvolle entführte (,Dr. Schweitzers letzte Mission).
Öyvind Fahlström machte die Mechanismen der Welt zu seinem Thema. Dafür entwickelt er Entwürfe, die die gewohnt Sprache der Bilder aufbrachen und zur Diskussion stellten, um sie dann in neuen Bezügen wieder zu aktivieren. Das konnte auch zu ganz plakativ wirkenden Arbeiten führen. Dem vertrauten blau-weiß-roten Logo des Mineralölunternehmens Esso setzte er ein Schild in den selben Farben (und Schrift) mit den Buchstaben LSD zur Seite. Das Werbezeichen, das zum Kauf bestimmter Produkte verführen sollte, war damit auf eine damals unter Intellektuellen beliebte Droge übertragen worden. Eine Gleichsetzung, die ganz unmittelbar zum Nachdenken über die Werbebilder aufforderte.
HNA 19. 2. 1997