Eine Sonderstellung unter den documenta-Künstlern nimmt die Gruppe Art & Language (Kunst und Sprache) ein, die in wechselnden Zusammensetzungen agiert hat.
In den 60er Jahren, so schien es, hatte die Moderne ihr logisches Ende erreicht. Die Abstraktion war soweit vorangetrieben worden, daß sich das Bild bereits in der Idee verwirklichen ließ; Konzept, Sprache und Bild wurden als eine Einheit denkbar. In dieser Zeit gab es zahlreiche Neuansätze
in der Kunst. Einige versuchten, die vermeintliche Sackgasse aufzubrechen, andere nahmen die Situation zum willkommenen Anlaß, vom überlieferten Kunstbegriff Abschied zu nehmen. Einen radikalen Weg beschritten jene englischen und amerikanischen Künstler, die sich ab 1966 in der Gruppe Art & Language zusammenschlossen. Für diese Gruppe war das Kunstwerk als verehrtes und begehrtes Objekt erledigt. Sie wollte sich über das Denken und Sprechen den Erscheinungen der Natur nähern und aus der Sprache ein neues Bildprogramm schöpfen.
Die Sprache als Bildersatz und das Buch im Lexikonformat als Museumsgut. Als die Gruppe Art & Language, bestehend aus Künstlern, die zwischen 1939 und 1950 geboren wurden, 1972 erstmals in der documenta vertreten war, schien sich ihr Kunstbeitrag auf Wort-Kataloge reduziert zu haben.
1968 hatten Terry Atkinson, David Bainbridge, Michael Baldwin und Harold Hurrell die Zeitschrift Art & Language Press begründet, für die ab 1969 zeitweise der Konzept- Künstler Joseph Kosuth als amerikanischer Herausgeber arbeitete. Aber so wie Kosuth später einen eigenen Weg ging, veränderte sich auch die unterschiedlich zusammengewürfelte Gruppe.
Aber immer wieder wurden die Arbeitsergebnisse mit großem Interesse aufgenommen, weil es Art & Language verstand, mit den Untersuchung und Experimenten zum Verhältnis von Bild und Sprache die Kunstdiskussion zu befruchten. So überraschte die Gruppe 1982 in der documenta 7 mit einem riesenformatigen Bild, das mit Tusche und Farbstift gemalt war. Es war ein Atelierbild, ein politisch-künstlerisches Manifest: Im Stil der politischen Agitationskust handelte das Bild von der Auseinandersetzung mit der eigenen Arbeit und der Kunsttradition. Schlüsselmotive der Kunstgeschichte tauchten darin auf und die Symbole des Marxismus, denen die Gruppe zeitweise gefolgt war. Das Bild war ein Zustandsbericht und auch eine Art Selbstreinigung.
Art & Language hat bei all ernsthaften Sprachuntersuchungen den Bezug zur sinnlichen Darstellung nie verloren. Auch wenn bei der kommend documenta Michael Baldwin und Mel Ramsden die Art Language-Tradition fortsetzen, werden sie Sprach- und Bild-Ebenen wieder miteinander verknüpfen: In einer Installation werden sie farbige Buchobjekte präsentieren. Eine Künstlergruppe, die sich Jackson Pollock Bar nennt, plant in der Auseinandersetzung mit der Installation ein Performance-Programm.
HNA 18. 4. 1997