Die Kunst als letzter Freiraum

„Wieviel Wirtschaft braucht die Kunst?“ wurde im Frankfurter Museum für Moderne Kunst gefragt. Anlaß war, daß sich die Sparkassen-Finanzgruppe als documenta-Sponsor präsentierte.

Für Hansmichael Heitmüller ist der Gang der Dinge erfreulich: Die einstige „fatale Trennung“ zwischen Praktischem und Theoretischem, zwischen Wirtschaft und Kultur, sei weitgehend
aufgehoben. Beide Bereiche befruchteten einander, und so malte er bei der Pressekonferenz ein fast harmonisches Bild vom Miteinander von Geld und Geist.

Die Leiterin der documenta, Catherine David wollte Heitmüller mit Blick auf das Sparkassen-Engagement nicht widersprechen. Ausdrücklich dankte sie für die Bereitschaft der Organisation, sich von jeder inhaltlichen Einmischung in die documenta fernzuhalten. Aber ganz nachdrücklich wandte sie sich gegen eine „automatische Verbindung von Kunst und Wirtschaft“. Es sei der Kunst abträglich, sie aus dem wirtschaftlichen Blickwinkel zu betrachten. Die Kunst sei kein Produkt, das an Bedürfnis oder Nachfrage orientiert werden dürfe. So wie der Film inhaltlich durch die Vermarktung bedroht werde, sei die Unabhängigkeit der Kunst auf vielen Feldern in Gefahr.

Diese Verteidigungsposition ist nach Catherine David kein Selbstzweck: Denn nur durch Kunst und Kultur erhielten das Politische, die Pluralität und die kontroverse Diskussion den letzten Freiraum, den sie zu ihrer Entfaltung brauchten.

In der sich anschließenden Diskussion zum Thema „Wieviel Wirtschaft braucht die Kunst?“ wurde dieser Aspekt leider nicht aufgegriffen. Dafür sorgte der Hausherr des Modernen Museums, Jean-Christophe Ammann, für Zündstoff, indem er forderte, den „PsychoTerror“ der Spardiskussionen zu beenden. Die Kultur brauche endlich gesicherte Freiräume.

Um die Grundlage dafür zu schaffen, sollten große Stiftungen auf den verschiedenen Ebenen gegründet werden. Die Stadt Frankfurt solle zu diesem Zweck ihre Anteile an der Messe, das Land Hessen seine Beteiligung am Frankfurter Flughafen und der Bund Tausend Tonnen Gold verkaufen. Mit Hilfe dieser Erlöse könnte eine dauerhafte Kulturarbeit sichergestellt werden.

HNA 19. 3. 1997

Schreibe einen Kommentar