Kritische Zeichen in der Stadt

Mit seinen Arbeiten unterläuft er den Kunstbetrieb. Trotzdem (und deswegen) ist Hans Haacke (Jahrgang 1936) zum vierten Mal bei der documenta dabei. Von ihm werden Plakate gezeigt.

Seit über 30 Jahren lebt der aus Köln stammende Künst1er Hans Haacke in New York. Aus der transatlantischen Distanz setzt er sich intensiv mit der deutschen Wirklichkeit und insbesondere mit der Verquickung von Kommerz, Politik und Kunst auseinander. Häufig operiert er an der Schmerz-
grenze der Veranstalter, so daß es auch passieren konnte, daß die Einladung zu einer Ausstellung wieder zurückgezogen wurde.

Hans Haacke ist aber kein Agitationskünstler. Bevor er sich auf politische Themen einließ, hatte er in den 60er Jahren Berührungen mit der Konzept- und Lichtkunst gehabt. So zeichnen sich seine Arbeiten durch ein Höchstmaß ästhetischer Gestaltung aus. Er schlüpft – je nach Thema und Arbeit – in wechselnde Rollen und Haltungen und benutzt Bild- und Inszenierungsmodelle, um die vertrauten Formen mit ihren eigenen Mitteln zu unterlaufen.

So hatte Haacke zur documenta 7 (1982) eine streng gerahmte Bilderreihe „Der Pralinenmeister
geschaffen, in der er dokumentierte, mit welchen Mitteln der Schokoladenfabrikant und weltweit als Kunstmäzen gefeierte Peter Ludwig arbeitete. Fünf Jahre später hatte er die Rotunde im Museum Fridericianum in die Empfangshalle eines Geschäftshauses verwandelt. Es war eine feierliche Inszenierung mit dezenten Tafeln und Grünpflanzen sowie einer imponierenden Lichtinstallation, in der die Logos von Deutscher Bank und Mercedes miteinander verbunden waren. Erst beim näheren Hinschauen entdeckte man Bilder und Texte, die eine Verbindung zwischen der damals gewaltsamen Politik der Rassentrennung in Südafrika sowie den Geschäftsverbindungen der beiden Großunternehmen herstellten.

Auch bei der kommenden documenta wird Hans Haacke Unruhe stiften. Dabei wird er ganz im Sinne des documenta-Konzepts ein vertrautes Bildmedium zur Diskussion stellen – das Plakat. Während die
Sponsoren zurückhaltend den documenta-Plakaten verzeichnet sind, gestaltet er Plakate in Großschrift mit Originalzitaten (und Quellenangaben) von Unternehmern, die sich zum Zweck und Nutzen von Sponsor-Verträgen äußern. Aus diesen Textzeilen geht eindeutig hervor, was sich die Unternehmen von ihrem Kultur-Engagement versprechen. Die Plakate werden – das ist Clou – dank der Sponsor-Unterstützung der Deutschen Städtereklame an drei Stellen in Kassel, in elf anderen deutschen Städten sowie in Wien und Zürich geklebt.

HNA 4. 6. 1997

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