Objekte wie für ein Theater

Natur-Bilder, plastische Figuren und Architektur-Modelle: Die Arbeiten
von Thomas Schütte (Jahrgang 1954) umkreisen Lebenssituationen. Zum dritten Mal ist er documenta-Künstier. In der letzten Folge unserer Serie stellen wir den in Düsseldorf lebenden Künstler Thomas Schütte vor, der mit seinen Arbeiten einen Bereich zwischen traditioneller Zeichnung und Malerei sowie Plastik und Architektur besetzt.

Schütte füllt die Welt mit gewöhnlichen Bildern auf, die er ihr entnommen hat. Dabei ist der Bildbegriff bei ihm weit gefaßt. Mal kann es sich im traditionellen Sinne um eine Zeichnung oder ein Gemälde handeln, dann wieder setzt er seine Vorstellung in Plastiken um, und schließlich schafft er Skulpturen im Stil von Architekturmodellen.

Thomas Schütte gehört zu der Künstlergeneration, die nach dem Aufblühen der Malerei zu Beginn der 80er Jahre der Kunst einen neuen Weg erschloß, indem sie bildnerische Elemente aus den unterschiedlichsten Disziplinen zusammenführte. Die Arbeiten überraschten und wirkten rätselhaft, weil sie sich dem eindeutigen Zugriff entzogen und weil sie immer mehreres zugleich sind – Modell und realisierte Skulptur, Bild und Objekt im Raum. In vielen Fällen scheint es so, als sähe Schütte die Welt als ein Theater an, für das er die Ausstattung besorgen müsse. Mal setzt er (in der Art von Kulissen) Bilder mit trivialen Motiven hinein, dann wieder bestückt er die Bühne mit Aufbauten. Die entstandenen Modelle wirken doppellbödig; sie sind absurd und real, benutzen die Sprache des Monumentalen und spiegeln Leere oder Banalität.

So knüpfte der 1987 zur documenta in der Kasseler Aue erbaute Pavillon an die pathetische Sprache der franzözisehen Revolutionsarchitekt an: Kreis und Ovalform, monumentales Tor und massives Dach. Im Widerspruch dazu stand der Inhalt, denn in dem Pavillon wurde Eis verkauft.

Vor fünf Jahren schuf Thomas Schütte eine Figurengruppe für das Portikus-Dach neben dem Museum Fridericianum. Die farbenfrohen Keramikfiguren wirkten aus weiter Ferne heiter. Aus der Nähe erkannte man, daß es sich um Abgewiesene und Ausgestoßene handelte – Menschen auf der Flucht und Wanderschaft. Ein kleiner Rest der „Fremden“ konnte auf dem Portikus stehen bleiben und begleitet auch die documenta X, in der Schütte mit einer neuen Arbeit vertreten sein wird.

HNA 6. 6. 1997

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