Offen in die Kamera geblickt

Der Niederländer Ed van der Elsken (1925 – 1990) steht für die Reportagefotografie. Eindrucksvoll
sind vor allem seine Porträtserien, die er von der Straße mitbrachte.

Zu den historischen Figuren, auf die sich Catherine David bei der Gestaltung ihrer Ausstellung beruft, gehört der niederländische Fotograf Ed van der Elsken. Wohl hat van der Elsken Bilder geschaffen, die man, wenn man sie einmal gesehen hat, nicht mehr vergißt, auch hat er international Beachtung gefunden, doch f ehlen sein Name und seine Fotos in vielen Bänden, die ansonsten repräsentativ
die zeitgenössische Fotografie spiegeln.

Ed van der Elsken hat freiberuflich als Reportagetotograf gearbeitet, hat Filme gedreht und hat mit Dia-Projektionen experimentiert. Zu seinen besten Arbeiten zählt ein Foto, das er 1960 machte. Da ist zu sehen, wie auf einer Uferpromenade am Meer ein Mann in Shorts und mit einer Zeitung unter dem Arm entschiedenen Schrittes nach rechts aus dem Bild herausgeht. Weit über die Hälfte des Fotos wird bestimmt von der ruhigen Weite des Meeres und des Himmels. Links im Vordergrund sitzen vier Frauen auf einer Bank – mit dem Rücken zum Betrachter. Ein beschauliches, durch den streng geradeaus schauenden Mann auch ein komisch wirkendes Foto. Schärfe aber gewinnt es durch die rückwärtige Aufschrift der Bank: „Europeans – Blankes“ (Europäer – Weiße). Sie isoliert die Gruppe, stellt den politischen Zusammenhang her und dokumentiert unmißverständlich, daß das Bild aus Südafrika zur Zeit der Rassentrennung stammt.

Noch häufiger aber operierte Ed van der Elsken anders. Er porträtierte Menschen auf der
Straße und zeigte sie in ihrem Umfeld. Es waren inszenierte (gestellte) Fotos, die aber über die Kraft und Lebendigkeit eines Schnappschusses verfügten und die immer zu erkennen gaben, daß ein direkter Kontakt zwischen dem Fotografen und seinem Motiv bestanden hatte. Die Bettler, die ihre Hüte hin- halten, lächeln zum Fotografen hin und die Kinder posieren stolz vor der Kamera. Es sind frische, spontan wirkende Studien, die nicht verstohlen gemacht wurden, sondern vom Einverständnis der Selbstdarstellung zeugen. So sind wir, ist das Leben – lautet die Botschaft.

Aber Ed van der Elsken hat auch mit der Kamera spontan dokumentiert – die Massen, die beim Rockfestival in ihren Schlafsäcken liegen, oder Steinewerfer in der Menge. Doch in der anderen Kategorie entwickelte er sein Profil.

HNA 29. 5. 1997

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