Beifall für Aue-Pavillons

100 Tage vor der Eröffnung der documenta 9 wurde gestern das Richtfest für die Aue-Pavillons gefeiert.

Wie einst Arnold Bode, der Vater der documenta, blickte Jan Hoet weit über das Ereignis hinaus: Die nun entstandene Struktur der Ausstellungsorte sei eine Garantie dafür, daß die documenta in Kassel weitergehe. Und so, als sei die documenta 9, die er noch zu präsentieren hat, schon abgeschlossen, sprach er die Zuversicht aus, daß auch die documenta 10 eine große Ausstellung werden möge.
Soweit ist es noch nicht. Aber nachdem in der Vorwoche die documenta-Halle ihrer Bestimmung übergeben worden war, wurde gestern mit dem Richtfest für die Aue-Pavillons ein weiteres wichtiges Etappenziel der documenta-Vorbereitung erreicht. Für 1,4 Millionen Mark wurden in der Aue (auf der Wiese unterhalb des Ehrenmals) fünf miteinander verbundene Pavillons errichtet, die nach Ende der Kunstschau demontiert und möglichst an anderer Stelle wiederverwendet werden. Daher bleiben die Bauten Eigentum der ausführenden Stahlbaufirma. Erstes Interesse an der Übernahme zweier Pavillons hat Prof. Kasper König (Städelschule Frankfurt) angemeldet.

Hilda und Paul Robbrecht haben die Pavillons mit ihren knapp tausend Quadratmetern Ausstellungsfläche als transparente Bauten aus Stahl, Glas und Wellblech entwickelt, die in luftiger Höhe (auf stählernen Pfählen) über dem Boden schweben. Dadurch wirken die Pavillons noch leichter. In ihrer Gestalt erinnern die fünf Pavillons an hinter- und nebeneinandergestellte Eisenbahnwagen oder Busse, die zur Aueseite offen (gläsern) und zur Hangseite geschlossen sein werden. Die documenta-Besucher gelangen in die Pavillons über eine lange Rampe von der Orangerie her und werden dann in einem Zick-Zack-Kurs durch die verschiedenen Räume zum anderen Ende geführt, wo ebenfalls eine Rampe installiert ist.

Der Beifall für die Stahlskelett-Bauten war beim Richtfest allgemein. Allerdings ist auch vorauszusehen, daß sich bei anhaltend schönem Sommerwetter hohe Temperaturen in den Räumen entwickeln werden. Es gab viele Dankesworte für die Verantwortlichen und insbesondere die am Bau Beteiligten, die in nur 100 Tagen die Gebäude errichteten.

documenta-Leiter Jan Hoet sah die Freude über die hinzugewonnenen Bauten als eine Vorfreude auf das große, am 13. Juni beginnende Fest. In diese Freude wollte er auch Dr. Kai Mathieu, den Direktor der Verwaltung der Staatlichen Schlösser und Gärten, einschließen. Der hatte allerdings als »Hausherr“ der Karlsaue seine Teilnahme an dem Richtfest abgesagt.

Begründung: „Nachdem die Durchführung dieses Bauvorhabens von Ihnen nicht mit der zwischen uns abgesprochenen Schonung des Geländes geleistet werden kann, sehe ich mich außerstande, mit der notwendigen Freude Ihrer Einladung nachzukommen. Ich würde mich angesichts der unnötigen Schäden nur ärgern…“

Eine, wie Beobachter meinen, typische Reaktion: Die Schlösser-Verwaltung hat sich offenbar noch immer nicht damit abgefunden, daß alle fünf Jahre die documenta auch Projekte in der Aue realisiert.

HNA 6. 3. 1992

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