Diskussion auf Ab- und Umwegen

Podiumsdiskussion der Freien Akademie in der GhK. Die eigenhiche Fragestellung „documenta – für wen?“ wurde nur am Rande erörtert.

Es war, als hätte der Grafiker Klaus Staeck mit seiner Bemerkung, die jungen Leute von heute neigten nicht mehr zu Extremen, das Signal gegeben. Wenig später drohte die Diskussion umzukippen: Eine Gruppe von Frauen wollte nicht länger der Kunstdiskussion zuhören müssen, sondern mit documenta-Leiter Jan Hoet über den Vorwurf diskutieren, er habe sich verharmlosend über Vergewaltigung ausgelassen. Auch verlangte sie eine eindeutige Erklärung zu den Aktionen des Otto Mühl.

Nachdem Hoet wiederholt hatte, ihm tue es leid, daß seine Äußerung zu diesen Mißverständnissen geführt habe, war für die Frauen die Sache nicht erledigt. Sie wollten bei dem Thema bleiben. Da sprangen dem documenta-Leiter Kulturdezernentin Irmgard Schleier und Klaus Staeck bei. „Warum“, so fragte die Kulturdezernentin, „nehmen wir das nicht an,“ wenn sich jemand entschuldige. Der Sache der Frauen diene mehr, nach der Einbeziehung von Künstlerinnen in die documenta zu fragen.

Und Staeck, der Otto Mühls Aktionen verurteilte, äußerte den Verdacht, Hoet solle hier für andere Männer bestraft werden. Er forderte dazu auf, nach dem Neuen der documenta-Kunst zu forschen. So kam das Gespräch über die documenta wieder in Gang. Doch die vorgegebene Fragestellung „documenta – für wen?“ geriet immer wieder aus dem Blickfeld, zumal die Veranstalter (Diskussionsleitung Prof. Lothar Döhn) die Frage nach der finanziellen Rechtfertigung der Ausstellung nahegelegt hatten.

Klaus Staeck meinte, die documenta werde in erster Linie für die documenta gemacht, und die Besucher könnten an dem Fest teilnehmen. Prof. Heiner Georgsdorf, Vorsitzender des Kunstvereins, sagte ebenso pointiert, die documenta werde für ihn gemacht; er schilderte, wie er durch die documenta zur Kunst gekommen sei. Hoet beschrieb, daß gerade durch die Reibung am Provinziellen die documenta zu so einer Herausforderung geworden sei. Er warb dafür, insbesondere was den Beitrag der Künstlerinnen angeht, erst die Ausstellung anzusehen, bevor man über sie urteile.

HNA 6. 5. 1992

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