Wuchernde Farben

Robert Hartmann ünd Nils Kristiansen, Düsseldorfer Maler, hatten darauf spekuliert, vielleicht in zehn Jahren „da“ zu sein, mit ihrer gebärdenreichen und sehr sinnlichen Malerei erst dann vom Markt und den Museen zur Kenntnis genommen zu werden. So festgefahren, einseitig und aus ihrer Sicht aussichtslos schien noch vor einigen Monaten die Kunstszene zu sein. Umso überraschter waren sie, als sie kurzfristig eingeladen wurden, in diesen Wochen eine Ausstellung im Wuppertaler Von der Heydt-Museum mitzubestreiten.

Museumsdirektor Günter Aust lud Dieter Krieg und Peter Vogt hinzu und stellte die Schau unter den Titel „4 Beispiele zur neuen Malerei“. Aust hatte dabei im Sinn, zu zeigen, daß es auf dem Felde der neuen, „wilden“ Malerei nicht nur Baselitz, Lüpertz und Kiefer, nicht nur die jungen Italiener und Deutschen gebe, sondern auch ganz andere Namen und Gruppen.

Fast könnte man es als komisch ansehen, wie viele Austellungsmacher ihre Zuwendung plötzlich jener frisch wirkenden, aber keineswegs so neuen Malerei zukommen lassen. Gut ist dennoch, daß der Erfolg von Baselitz, Lüpertz und co. gleich einer ganzen Reihe von jahrelang vernachlässigten Künstlern zugute kommt.

Die vier in Wuppertal vorgestellten Künstler ergeben natürlich keine Gruppe. Sie sind, wie meist, Einzelgänger. Dieter Krieg ist unter ihnen derjenige, der die längste und bekannteste Biographie hat. Im Von der Heydt-Museum beeindruckt er mit einigen großformatigen Bildern, die den Umgang mit der Farbe zum Erlebnis machen: Mit triefenden Quastenstrichen ist da die Farbe auf den Malgrund (Nessel oder Papier) gebracht; die Gelb-, Grün- und Braun-Töne mischen sich wild; hier läuft die Farbe klecksend herunter, dort bilden sich dicke Farbwülste und da wieder ergeben sich zarte Aquarell-Flächen. Die Farbe selbst ist Landschaft. Dargestellt sind ins Grob-Große gesteigerte Dinge wie Pommes Frites oder Brathähnchen, die sich mühsam aus dem Farbmeer herausschälen.

Schon andernorts als Neuentdeckung gefeiert ist Peter Vogt. Auch bei Vogt wird das Malen, das kräftig-schwungvolle Auftragen der Farben und das Aufeinandertreffen der Tonstufen, zum Thema. Vogts Pinselhiebe überziehen aber nicht die ganze Fläche, sondern konzentrieren sich, um plastische Körperformen herauszubilden. Die bruchstückhafte, stürzende oder sich biegende menschliche Figur ist sein Motiv.

Robert Hartmann und Nils Kristiansen, die gelegentlich auch zusammenarbeiten, verbindet innerhalb der Ausstellung am meisten. Auf ihren Gemälden demonstrieren sie eine ganze Palette zeichnerischer und malerischer Möglichkeiten; sie machen sich die Mittel der abstrakten Spontan-Malerei ebenso zunutze wie die der Pop-Art; sie zitieren und ironisieren, lassen Motive und Stimmungen auftauchen und gleich wieder verschwinden. Sie liefern packende Beiträge zu jener aktuellen Malerei, die weder das Triviale noch das Erzählerische meidet.

Hartmanns Bilder, die oftmals gemalten Collagen gleichen, sind Arbeiten, in denen Fabulierlust und Malwut gleichrangig sind; die Figurensprache ist symbolhaft, zuweilen zart, dann wieder brutal formuliert; sie liegt im ständigen Ringen mit der wuchernden Farbe, die sich mal den Motiven unterordnet und sich dann wieder in freier Improvisation von ihnen löst.

Bei Kristiansen setzt sich das zeichnerisch angelegte Grundmotiv stärker zu einer klaren, dominierenden Komposition durch. Linien, Figurenelemente und sich selbst überlassene Pinselstriche überlagern und umkreisen das Zentralmotiv, nehmen es manchmal sogar zurück, um es endlich doch hervorzuheben.

RP 6. 2. 1981

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