Fluxus und die Probleme der Zeit

Arthur Köpcke: Was ist das? und apexart New York in der Kunsthalle Fridericianum Kassel, 27. März – 2. Mai 2004

Rene´ Block ist ein beständiger Begleiter und Förderer der Fluxus-Kunst. Dabei hat er den Vorteil, die Früh- und Blüte-Phasen der Fluxus-Bewegung mitbegleitet zu haben. Also war es naheliegend, dass er bereitwillig die Ausstellung in die von ihm geleitete Kunsthalle Fridericianum in Kassel übernahm, die Susanne Rennert aus Anlass des 75. Geburtstages von Arthur Köpcke (1928-1977) für die Kunsthalle Hamburg eingerichtet hatte. Im Fall von Köpcke bedeutet die Ausstellung mehr als nur Erinnerungsarbeit. Der Hamburger Künstler, der seine entscheidenden Jahre in Kopenhagen verbrachte, der auf die Vermarktung seiner Arbeiten wenig Wert legte und sich als vielseitiger Anreger verstand, hat es nämlich zu Lebzeiten außerhalb der Fluxus-Gemeinde nicht zu großem Ruhm gebracht. Und da er nach seinem frühen Tod zeitweise vergessen wurde, ist sein Werk nur wenigen bekannt. Deshalb dient die Ausstellung in erster Linie dem Kennenlernen.
Beim Studium seiner Bilder und Collagen wird man aber nicht in die Vergangenheit versetzt. Die Arbeiten erweisen sich als überraschend aktuell. Die poetische Mischung aus der Wirklichkeit entnommenen Bildchiffren, breit gezogenen Sprechblasen-Texten und Ummalungen schlägt eine Brücke von der Pop-art zu zeitgenössischen Formen der Malerei.

Arthur Köpcke hatte in Kopenhagen eine Galerie betrieben, die mehr Kommunikationszentrum und Ideenbörse als wirtschaftlich bedeutsamer Kunsthandel gewesen war. Dies kam seinem Naturell entgegen: Er liebte den Austausch, nahm gern Impulse auf, die andere gaben, und verarbeitete sie so, dass etwas Neues entstehen konnte. In seiner Anfangszeit hatte er in unmittelbarer Nähe zu Daniel Spoerri gearbeitet. Einige seiner Collagen und Assemblagen wirken wie Echos auf die Tisch-Stillleben von Spoerri. Doch dann löste er sich schnell aus Abhängigkeit.

Wie die meisten Fluxus-Künstler war Köpcke ein Mann, der in seinen Studien und Bildern die unterschiedlichsten Elemente zusammenfließen ließ – Bild, Wort und Musik. Mit besonderer Freude und Hinterlist verschlüsselte er seine Bildkompositionen. Er wollte die Betrachter herausfordern, sie in seinen Bildern lesen und raten lassen, damit sie die Bilder und deren Botschaften hinterfragten. Und wenn er ein gemaltes Motiv mit einer codierten Farbentabelle versah, dann war die Botschaft unmissverständlich: Für ihn war die tradierte Kunst an ihrem Ende angekommen. Deshalb konnte er seine Kompositionen mit Gebrauchsanweisungen ausstatten, die die Betrachter in die Lage versetzten, selbst zu malen. So waren manche Bilder als Plädoyers für die Aufhebung der Kunst zu verstehen. Doch in der Fernwirkung erreichte der Fluxus-Künstler das Gegenteil: Seine Arbeiten sind Teil der traditionellen musealen Welt geworden, und wir begreifen seine Bild-Text-Collagen als liebenswerte Gedankenbilder.

Umrahmt wird die zurückblickende Schau durch zwei Ausstellungen junger zeitgenössischer Kunst. Mehr noch als in seiner ersten Arbeitsphase in Kassel hat Rene´ Block es sich zum Programm gemacht, unter seiner Gesamtregie Nachwuchs-Kuratoren das Feld zu überlassen. Dabei bildet einen besonderen Schwerpunkt die Zusammenarbeit mit apexart in New York, die ebenfalls jungen Kuratoren ein Forum bietet. Das jetzt zu besichtigende Ergebnis der Zusammenarbeit hinterlässt einen ausgesprochen starken Eindruck.
Dabei schließt das, was die pakistanische Kuratorin Atteqa Ali unter dem Titel „Spielen mit geladenem Gewehr“ präsentiert, direkt an die Ausstellung von Köpcke an. Denn die meisten der elf vorgestellten, aus Pakistan stammenden Künstler nehmen Elemente aus der bei ihnen überlieferten Bildsprache auf, um die aus der Ferne harmonisch wirkenden Formen kippen zu lassen und die Brutalität der jüngsten Geschichte zu spiegeln. Da, wo Köpcke ironisch sein kann, werden die jungen Künstler aus Pakistan unerbittlich und zynisch. Am stärksten kommt das in den Arbeiten von Ambreen Butt zum Ausdruck: Auf die Wand sind großformatige Rahmen und Passepartouts gemalt. In diese Wandgemälde sind kleine Bilder, die an klassische Miniaturen denken lassen, gehängt, in denen die Harmonie zerbricht. Auch die Collagen von Saira Wasim leben aus dem Kontrast von traditioneller Volkskunst und sarkastischer Desillusionierung. Noch direkter wird Alia Hasan-Khan: Auf dem Boden liegt ein Sack, aus dem Päckchen purzeln. Die Päckchen, die als kleine Präsente der Amerikaner vom Himmel fielen, enthalten nun kleine Bomben.
Die Ausstellung birgt ungeheure Sprengkraft und offenbart große künstlerische Potenziale. Vor allem macht sie neugierig auf weitere Begegnungen mit aktueller Kunst aus Pakistan. Allerdings muss man bedenken, dass ein Großteil der Künstler in Europa oder in Amerika lebt.
Die andere Ausstellung („Adaptionen“) hat der Kanadier Craig Buckley zusammengestellt. Er vereinigt Künstler, die sich mit den Lebensbedingungen in der Stadt, mit Umweltfragen und Kulturbrüchen auseinandersetzen. So sieht man in Video (Arnait Video Collective), das an die Filme über die Eskimos anknüpft, die während der Documenta 11 zu sehen waren. Kim Adams zeigt Dias von verrückten und schrottreifen Autos, die noch ihre Dienste versehen. Und die Stealth Group lädt zum Studium einer Fotowand ein, auf denen die unterschiedlichsten Formen städtischen Lebens dokumentiert werden. Vieles hat dokumentarischen, aufklärerischen Charakter. Die Welt wird gedreht und gewendet. Aus diesem Rahmen fällt der Beitrag von Michael Rakowitz. Unter dem Titel „ParaSite“ führt er einen Überlebenstrick vor. Um in der Kälte überwintern zu können, hat er ein Plastikzelt anfertigen lassen, das auf der einen Seite in einen langen Schlauch übergeht, der an eine ihre warme Abluft rauspustende Klimaanlage angeschlossen werden kann. Eindrucksvolle Dokumentationsfotos ergänzen die witzige Installation.
So ergibt sich aus der Kombination der drei völlig unterschiedlichen Ausstellungen eine hervorragende Kombination. Die Idee mit der heimlich entführten Abluft hätte auch Köpcke haben können.

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