Künstler als Gärtner

„trans plant“ von Barbara Nemitz

Seitdem feste menschliche Siedlungen existieren, gibt es Versuche, die umgebende Natur zu domestizieren: Pflanzen, die eigentlich an dem Ort nicht vorkommen, werden dort angesiedelt; die Grünflächen, Sträucher und Bäume werden in Form gebracht; und schließlich bemüht man sich, auch dann das Grün, die Blüten und die Früchte zu haben, wenn die Natur sie eigentlich nicht hergibt. Der zur Künstlichkeit erstarrte Barockgarten, das Gewächshaus und die gentechnische Veränderung der Pflanzen sind die logischen Folgen der Entwicklung.

Obwohl das Wort von der Gartenkunst alt ist, wurden die Künstler über lange Zeiten nur für die Möblierung der Gärten mit Skulpturen in Anspruch genommen. Eine radikale Veränderung erfolgte erst in dem Moment, als die Moderne an ihr Ende gekommen war und die Kunst in gesellschaftliche Räume expandierte. Da dies exakt der Zeitpunkt war, zu dem das Bewusstsein für den Wert und die Gefährdung der lebensspendenden Natur an Bedeutung gewann, entdeckten nun auch die Künstler die Pflanzen und Gärten als Gestaltungsmittel. In seinem Aufsatz „Boden gewinnen: Ein Rückblick auf die Kunst in der Natur und die Natur als Kunst“ hat Kim Levin aus amerikanischer Sicht sehr genau beschrieben, wie sich Ende der 60er Jahre innerhalb der Kunst das Interesse an der Natur entwickelte und erste Projekte von Künstlergärten entstanden. Enthalten ist der Aufsatz in dem von Barbara Nemitz herausgegebenen Band „trans plant – Living Vegetation in Contemporary Art“.

Nachdem das KUNSTFORUM 1999 mit seinen beiden Bänden 145 und 146 eine breite Auseinandersetzung mit dem Phänomen des Künstlers als Gärtner eingeleitet hatte, fokussiert Barbara Nemitz nun in diesem Band rund 60 verschiedene künstlerische Positionen, die durch farbige Abbildungen und Selbstzeugnisse dokumentiert werden. Barbara Nemitz, die seit 1993 an der Bauhaus-Universität in Weimar lehrt, kann dabei nicht nur von eigenen künstlerischen Erfahrungen und dem persönlichen Interesse an Pflanzen ausgehen. Ihr Fundus ist das Weimarer Projekt „KünstlerGärten“, für das sie die Mitarbeit zahlreicher Künstler gewann und das schneeballartig auch außerhalb Weimars Realisatoren fand.

Dieses Buch gibt also lexikalisch Auskunft über fünf Dutzend international namhafte Künstler, die ständig oder zeitweise mit Pflanzen oder Garten-Ideen arbeiten. Es vermittelt – insbesondere mit Hilfe des Beitrages von Peter Herbstreuth eine gute Übersicht über die künstlerischen Natur-Interventionen, die in den meisten Fällen mit dem Effekt der Verfremdung arbeiten. Das Wachstum der Pflanzen, Blümenkübel, Garten- und Waldstücke sowie Beete dort zu ermöglichen, wo sie fremd sind und nicht erwartet werden, erscheint als der prägende Impuls. Der katalogartige Band nimmt keine Wertung vor. Doch wird in diesem Zusammenhang erst richtig klar, welche Ausnahme rolle die Aktion „7000 Eichen“, von Joseph Beuys zur documenta 7 initiiert, spielt. Kein anderes Projekt veränderte dermaßen die alltägliche Stadtlandschaft und kein anderer Künstlergarten ist von solchem Ernst und von solcher Ausdauer beherrscht. Die meisten anderen Arbeiten wirken daneben spielerisch – selbst ein so groß angelegter, neuromantisch erscheinender Garten, wie ihn Ian Hamilton Finlay geschaffen hat.

Der Bildband nimmt für sich in Anspruch, international über die Künstler als Gärtner zu informieren (Basis dafür war das Archiv, das Barbara Nemitz in den vergangenen sieben Jahren angelegt hat). So wurde das Buch in englischer Sprache herausgegeben; lediglich die drei längeren Textbeiträge von Barbara Nemitz, Kim Levin und Peter Herbstreuth sind auch in Deutsch zu finden. Die Bestandsaufnahme kann ob der Breite dieser Bewegung begeistern. Sie zeigt aber auch, dass die Künstler bei der Inbesitznahme des Gartens für ihre Zwecke erst am Anfang stehen.

„trans plant -Living Vegetation in Contemporary Art“, Hrsg. Barbara Nemitz, Hatje Cantz Publishers, Stuttgart, 208 S., 78 Mark.

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