Aus und vorbei

„You never will forget it“ (Sie werden es nie vergessen) stand auf dem Plakat. Das ließ die Erwartungen hochschnellen – wie schon die Ankündigung, mit der „Demontage XIV“ wolle Flatz anläßlich seines 40. Geburtstages seine Performance-Reihe abschließen. Was war zu erwarten? Es gab die wildesten Spekulationen.

Der Künstler, der seinen Hund „Hitler“ nennt, ist bekannt für Arbeiten und Aktionen, die zwischen ihm und dem Publikum Täter-Opfer-Beziehungen entstehen lassen. Mal versprach er demjenigen 500 Mark, der ihn mit einem Wurfpfeil treffen würde (und einer verdiente sich wirklich sein Geld), mal forderte er gewaltsames Vorgehen heraus, nachdem er die Zuschauer in einem Saal mit einer Bücher- wand hatte einmauern lassen. Flatz‘ documenta-Beitrag Bodycheck, der die Besucher des Museums Fridericianum zum Durchboxen einlädt, wirkt dagegen heiter und harmlos.

Ja, die meisten der 500 Besucher, die zu mitternächtlicher Stunde auf den Kasseler Friedrichsplatz gekommen waren, um in der darunter liegenden Tiefgarage die documenta-Performance von Flatz zu erleben, werden diese Nacht nicht vergessen. Aber nur deshalb, weil sie sich um das versprochene Ereignis, ihre Zeit und ihr Geld (Eintritt 15 Mark) betrogen fühlten.

Das hatte damit angefangen, daß die andrängenden Zuschauer eine dreiviertel Stunde in der Kühle der Nacht und bei zeitweisem Regen im Pulk warten mußten, bevor sie Einlaß fanden. Unten merkten dann die später Kommenden, daß sie nicht viel sehen würden. Immerhin bekamen auch sie mit, daß vorne Motorräder aufgereiht standen und hinten das Symphonieorchester Kassel
spielbereit war. Endlich intonierte das Orchester Musik von Leo Delibes aus der Oper „Lakmé“, und zwei Sängerinnen, dunkel und hell gekleidet, trugen das Duettino „Viens, Mallika“ vor.

Was vorauszusehen war, geschah: Flatz und ein Freund bestiegen ihre bereitgestellten Harley-Davidsons, starteten, das heißt, versuchten zu starten, kamen schließlich doch in Gang, zerschnitten mit dem Motorengebrüll die Musik, fuhren auf die Publikumswand zu, stoppten und warteten, bis Gassen entstanden waren und entschwanden aus der Tiefgarage. Die anderen Motorräder folgten. Und als die letzte Maschine nach wenigen Minute hustend das Parkhaus verlassen hatte, war dieses Requiem für einen mit einer Harley verunglückten Flatz-Freund aus und vorbei.
Ratlos blieben die Zuschauer zurück. Das sollte es gewesen sein? Wenn Flatz Frustration und Ärger provozieren wollte, hat er sein Ziel erreicht – zu Lasten der documenta 9.

HNA 7. 9. 1992

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