Technik und Geld


Um über Kunst zu sprechen, geht man nicht unbedingt in ein Kreditinstitut. Zwar sind Banken dazu übergegangen, Ausstellungen in den Schalterhallen anzubieten, doch finden dort außerhalb der drangvollen Vernissagen kaum Kunstgespräche statt.

Folglich war es nicht verwunderlich, daß sich bei den Gesprächen, zu denen der documenta-Künstier Helmut Schweizer an zwei Vormittagen in Kreditinstitute eingeladen hatte, sich jeweils nur sehr kleine Gruppen einfanden. Dabei hat das, was Schweizer als seinen documenta-Beitrag in sieben Bankfilialen der Innenstadt gestaltet hat, keinerlei Beziehung zu den üblichen Schalterhallen-Ausstellungen.

Helmut Schweizer ist mit seinen Arbeiten nicht aus Verlegenheit in die Schaufenster der Bankfilialen ausgewichen, sondern er hat gezielt diesen Dialog gesucht: Angezogen und fasziniert von den Meisterwerken der Technik, die er im Deutschen Museum in München entdeckte (und fotografisch dokumentierte), kam er zu der Überzeugung, daß es die großen technischen Erfindungen seien, die das Kapital der Gesellschaft bilden. Die Dampfmaschinen, Automobile
und Flugkörper sind für ihn das eigentliche Geld. Andererseits, so meint er, wäre deren Vollendung nicht möglich gewesen, hätten sich nicht jeweils Geldgeber gefunden.

Das Geld ermöglichte den technischen Fortschritt – und dieser Fortschritt brachte Geld. Schweizer macht also in seinen Arbeiten mit den „anderen Gesichtern des Geldes“ bekannt:
Er verdoppelte die Negative seiner Aufnahmen aus dem Deutschen Museum und schob die Doppel so übereinander, daß beim Abzug symmetrische Bilder entstanden. Diese doppelgesichtigen Bilder der Technik vergrößerte er und setzte sie in Siebdrucke um, die nun in den Bankschaufenstern zu sehen sind.

Die Fotografien der technischen Geräte werden so zu rätselhaften Masken, die noch auf einen ganz anderen Umstand verweisen: Mit Hilfe des Geldes und der Technik wurden nicht nur Erfolge erzielt, sondern wurden auch Städte wie Kassel zerstört. Und Schweizers Arbeiten sind genau in dem Innenstadt-Areal zwischen Friedrichs-, Königs- und Ständeplatz zu sehen, das während des Krieges total zerstört worden war.

HNA 21. 8. 1992

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