In Kassel steht wieder ein Backsteinbau von Per Kirkeby. Dieser soll nun wirklich auf Dauer erhalten werden.
Nun bleibt Kirkeby in Kassel. Aus Oberbürgermeister Wolfram Bremeiers Worten war die Erleichterung darüber herauszuhören, daß ein für Kassel wenig erfreuliches Kapitel nun doch mit einem guten Ende versehen werden konnte: Indem sich der dänische Künstler Per Kirkeby ein zweites Mal aus Anlaß einer documenta für Kassel engagierte, ermöglicht er die Versöhnung mit der Stadt, die seine 1987 errichtete Backstein-Skulptur erst als Geschenk haben wollte und dann in einer Nacht- und Nebel-Aktion abgerissen hatte. Die Zurückweisung des Geschenks durch Abriß hatte damals weit über Deutschland hinaus in der Kunstöffentlichkeit hohe Wellen geschlagen.
documenta-Leiter Jan Hoet konnte Kirkeby dafür gewinnen, trotz dieses unseligen Vorgangs einen neuen Bau zu entwerfen. In Absprache mit dem Architekten Prof. Jochen
Jourdan wurde für diese Skuiptur am unteren Ende der documenta-Halle ein idealer Platz
gefunden.
Der strenge und klare Bau kontrastiert mit der von Bögen und Kurven bestimmten Ausstellungshalle. Von weitem wirkt er wie ein Haus, beim Hindurchgehen aber verliert man die Unterscheidungsmöglichkeit zwischen drinnen und draußen. Die Polarität dieser Beziehungen wird aufgehoben, weil sich das Haus als ein offenes, archaisches Mäanderband entpuppt.
Als gestern der Bau offiziell an den Künstler und die documenta-Leitung übergeben wurde, stand aber nicht bloß Per Kirkeby im Mittelpunkt. Gefeiert wurde vor allem die Zusammenarbeit von Kunst und Bauwirtschaft, denn die Backstein- Skulptur wurde von den Aus-
zubildenden der Lehrbaustelle Kassel (sehr zur Zufriedenheit des Künstlers) errichtet. Auf einer Tafel, die hier angebracht werden soll, wird diese ungewöhnliche Kooperation gewürdigt; auf ihr sind sämtliche Namen der Beteiligten verewigt.
Für den Vorstand der Arbeitsgemeinschaft Stufenausbildung Bau Kassel freute sich Vorstandsmitglied Gerhard Fenge darüber, daß durch dieses Projekt die Auszubildenden einmal die Gelegenheit erhalten hätten, etwas Bleibendes zu erbauen. Das Bauwerk zeige, daß die Kunst ohne gutes Handwerk nicht auskomme.
Jan Hoet wiederum würdigte die Nordhessische Bauwirtschaft, weil sie den Mut gefunden habe, ihre Ängste und Vorbehalte gegenüber der documenta in ein wirkliches Engagement für die Kunst umzu wandeln. Der documenta-Leiter stellte auch den Bezug zur documenta 7 und dem ersten Kirkeby-Bau her. Die jetzt errichtete Skulptur habe, so Hoet, seine Erwartungen noch übertroffen. In ihr werde der Körper aufgehoben.
HNA 4. 6. 1992