Sigmar Polke ist tot

Sigmar Polke ist tot. Er war einer der für mich wichtigsten und zugleich schwierigsten Maler der letzten 40 Jahre. Klaus Honnef sah in ihm den Joseph Beuys der 80er- und 90er-Jahre. Diese prägende Vorbildfigur war er sicherlich nicht. Aber kein Zweifel: Neben Gerhard Richter und Anselm Kiefer war er eine Schlüsselfigur deutscher und internationaler Malerei.

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Die Todesnachricht geht mir deshalb so nah, weil ich das Gefühl habe, ihn erst kürzlich getroffen zu haben. Das stimmt natürlich nicht. Doch in der Eröffnungsausstellung „Starter“ in dem Istanbuler Kunstraum „Arter“ ist Polke gleich mit mehreren Arbeit präsent und für mich so lebendig, frisch und unterhaltsam, dass der Gedanke an seinen Tod mir nicht in den Sinn will.

Sigmar Polke ist sicherlich der Künstler, der am nachhaltigsten die deutsche Spielart der Pop-art entwickelt hat. Zusammen mit Gerhard Richter und Konrad Lueg hatte er 1963 den „Kapitalistischen Realismus“ begründet, der sowohl den sozialistischen Realismus parodierte als auch die Malerei des Informel überwinden wollte, die sich mittlerweile abgenutzt hatte. Die ironische und humorvolle Grundhaltung blieb weiter bestimmend für Polkes Werk. Er liebte es, sich als bloßes Werkzeug eines höheren Kunstwesens darzustellen („Höhere Wesen befahlen…“) und dementsprechend war ein Kennzeichen seiner Malerei, dass er sich immer wieder mit der Malerei selbst beschäftigte. Er führte sie nah an die Wirklichkeit heran, indem er bedruckte Stoffe übermalte, Raster oder Siebdruckmotive in seine Bilder einbezog. Seine Bilder spiegelten das Übereinanderschieben der verschiedenen Bewusstseinsebenen.

Gleichzeitig erforschte er ähnlich intensiv wie Richter die Möglichkeiten der Malerei. Aber er ging im Experimentieren noch weiter – bis an die Grenzen der Alchemie. So stellte er im deutschen Pavillon in der Venedig Biennale Bilder aus, deren Farben sich unter dem Eindruck wechselnder Temperaturen änderten.

Sigmar Polke fotografierte gern und intensiv. Möglicherweise ist auf dem Feld der Fotografie in Polkes Nachlass noch ein bedeutsames Werk zu heben.

Sigmar Polke war als Künstler selbstbewusst und merkwürdig scheu. Obwohl Rudi Fuchs zweimal Anläufe unternommen hatte, Polke mir als Gesprächspartner für meine Serie „Künstler der documenta 7“ zu vermitteln, entzog sich Polke dem Interview.

12. 6. 2010

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