Die Eiskugel – zum Sommer passend

Eis und Kunst – ein spannendes Dauerthema. Mehrfach hat es zu einer documenta Beiträge von Künstlern gegeben, die mit der Vereisung von Wänden oder Objekten arbeiteten. Zur Documenta 11 nun beziehen jeden Morgen zehn brasilianische Eiswagen vor dem Fridericianum Position, aus denen im Auftrag des aus Brasilien stammenden Künstlers Cildo Meireles hundertprozentiges Wassereis verkauft wird. Meireles will mit seiner Eisaktion unter anderem an den Kreislauf des Wassers erinnern. Diesen beschleunigten Kreislauf bekommen im Moment Hunderttausende in Europa in aller katastrophalen Härte zu spüren.

Eis gibt es auch im Kasseler Kunstverein in der Ausstellungsreihe „Zipp“, in der sich nach dem Reißverschlusssystem jeweils zwei parallel laufende Ausstellungen ablösen. Um einen Stützpfeiler herum hat Christine Bieler (Jahrgang 1964) eine riesige Kugel aufgebaut, die rundherum vereist ist. Vereist sind auch die Zulaufschläuche, durch die die Kühlmittel gepumpt werden und der Kugel ihre Oberflächengestalt geben.

Kindheitsträume und -erinnerungen haben Christine Bieh1er dazu gebracht, diesen überdimensionalen Schneeball in der Ausstellungshalle zu platzieren: Winterstimmung im Sommer, der schnell vergängliche weiße Traum wird bewahrt. Mancher Besucher wird die Kugel, die den Ausstellungsraum unterkühlt, auch ganz anders verstehen — als bedrohliche Vision, in der die Weltkugel als ein Eisball erscheint.

In dem Zusammenhang wirken die bunten Kunstharz-Bllder von Peter Zimmermann, die noch bis zum 18. August zu sehen sind, völlig anders. Die Farben erscheinen noch künstlicher und kühler. Es ist, als würde die Kälte von der Kugel auf die Bilder abstrahlen. Damit funktioniert das Reißschlusssystem wieder. Denn bei der vorigen Künstler-Kombination hatte es SStörungen gegeben. Weil sowohl Peter Zimmermann als auch der zuvor eingeladene Rudolf Herz mit Wandarbeiten nach Kassel gekommen waren, überlagerten sich die Beiträge und entwerteten sich gegenseitig.
Hier nun wird aus der Konfrontation ein Zusammenspiel – auch deshalb, weil sich eine Spannung zwischen den farbintensiven Wandbildern und der weißen Kugel im Raum aufbaut.

HNA 14. 8. 2002

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