Die erste Ausstellung in der provisorischen studio-galerie im Hause des Kasseler Kunstvereins ist dem22jährigen Bernhard Balkenhol- Student der Gesamthochschule- gewidmet. Es ist naheliegend, daß eine Werkschau der Arbeiten eines an Jahren und Ausbildung so jungen Künstlers eher Werkstattcharakter hat.
Der Besucher wird direkt in einen Entwicklungsprozeß hineingeführt, in dem es immer wieder
neue Ansätze und Versuche gibt, Vorstellungen und Gedanken bildlich umzusetzen. Urteile, zumal abschließende, verbieten sich da von selbst. Trotzdem kann man sagen, daß sich hier ein vielversprechendes zeichnerisches und graphisches Talent vorstellt. Abzulesen ist das an Blättern, die etwa zwei Jahre zurückliegen: Zeichnungen, die Prinzipien des fotografischen Realismus folgten, als
diese Stilrichtung noch keine große Mode war. Balkenhol hat einen Blick für das formal Reizvolle,
das über seine zwingende Ausgestaltung Inhaltliches vermittelt. So beispielsweise jene Darstellung
von einem Jeans-Anzug, in der man die den Anzug tragende Person noch durchspürt, diese Person aber unbestimmt, ja abwesend bleibt.
Der Ausstel1ungs-Konzption zufolge waren solcherart zeichnerische Arbeiten eher Vorstudien.
Es folgten Landschaften, in denen die Natur auf einige wenige Kurven und Linien abstrahiert
wurde. Am Schluß dieser ersten Entwicklungsübersicht stehen Arbeiten gesellschaftskritischer
und politischer Natur. Zu realistischen Motiven treten abstrakte Zeichen und Linien. In diesen Blättern spürt man viel ehrlichen Willen zur Auseinandersetzung mit der Realität. Doch gleichen die meisten dieser Blätter eher Gedankenmodellen. Die Theorie ist noch – nicht umgesetzt. Der nächste Schritt muß folgen.
HNA 12. 4. 1973