Bilder der Künstlichkeit

Spricht man von einer Ausstellung, läßt man den Katalog zu dieser Ausstellung gewöhnlich außer acht. Ein Katalog erscheint wie Beiwerk, das man sieht, aber übergeht. Im Falle der Ausstellung Manfred Bluth im Schloß Bellevue ist aber der Katalog Teil der Ausstellung: Nicht nur, weil der 1926 geborene Berliner Porträtmaler Bluth einen eigenen Weg der Katalog-Gestaltung gefunden hat, sondern auch weil hierin die verarbeiteten Anregungen und Vorbilder sowie die Entstehungsgeschichten der einzelnen Bilder erläutert werden.

Manfred Bluth ist nicht nur Maler, sondern auch Pädagoge. Die Bleistiftskizzen, die zwischen den großformatigen Ölbildern aufgereiht sind, geben nämlich dem Besucher didaktische Hilfen. Darüber hinaus dokumentieren sie die gewissenhafte und faszinierende Zeichenkunst des Malers.

Die Porträtmalerei war lange in Verruf oder in Frage gestellt. Erst die neuen Realisten schienen wieder gangbare Wege zu weisen. Dabei gehört Bluth zu den Malern, die schon vor dem Aufstieg der Foto-Realisten zu dem Realismus-Prinzip folgten.

Die Personen, die Bluth porträtiert, sitzen. Ihr Stuhl, ihre Sitzhaltung, aber auch ihre dargestellte Umgebung sind Teil des Porträts – zur Kennzeichnung der Charaktere und Temperamente. Bluth wählt dabei eine unterkühlte, oft stilisierte Bildatmosphäre, die manchmal einen Stich ins Surreale oder Absurde hat, Mit der Abbildung der Wirklichkeit schafft er Künstlichkeit und scheut dabei nicht, andere Künstlichkeiten – etwa die Landschaft eines Caspar David Friedrich – zu zitieren.

HNA 12. 10. 1974

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