Schönheit und Melancholie

In einem 1974 veröffentlichten Lebenslauf schrieb Manfred Bluth zum Jahr 1959: ,,In der Krise. Vom Zeitgeist überwältigt, entstehen auch abstrakte Bilder, von denen ich die meisten wieder zerstöre.“ Für das Jahr darauf notierte er: „Entschluß, nicht mehr auf das zu hören, was Kunstkritiker verkünden und die von ihnen errichteten Tabus nicht mehr zu respektieren…“ Dreizehn Jahre später gehörte er im Berliner Atelier von Johannes Grützke zu den Mitbegründern der „Schule der Neuen Prächtigkeit‘. Offensiv bekannte sich nun Bluth gemeinsam mit Gleichgesinnten zur realistischen Kunst.

Bluth, 1926 in Berlin geboren und 1974 an die Gesamthochschule Kassel berufen, zog eine resignative „Schlußbilanz“, als er im vorigen Jahr seine Bilder und die Werke seiner Schüler in einer Gemeinschaftsausstellung präsentierte. Der resignative Zug ist verständlich: Trotz guter Arbeit haben die Realisten in der Kunst keinen Boden gewinnen können. Nur wenige Museen nehmen sich ihrer Bilder an, im Kunstbetrieb gelten sie als gestrige Exoten.

Die Resignation allerdings bezieht sich nur auf das Selbstwertgefühl dieser Kunst. Das Malen selbst hat zum Glück nicht darunter gelitten. Im Gegenteil, Bluth hat mit unglaublicher Konsequenz seine malerische Linie gehalten.

Gern läßt er sich als traditioneller, akademischer Maler einstufen. Seine Kompositionen stimmen, die Gegenstände und Landschaften scheinen zum Greifen nahe. Doch gerade das „Sizilianische Stilleben“ von 1985 ist ein Beweis dafür, daß mit dem Stichwort „Realismus“ nichts über das Bild ausgesagt ist.

Die einzelnen Elemente, der Tisch, die weißen Tücher, die Brote, der Tierschädel, die Schale Oliven und die Landschaft, sind zwar im Sinne der Wirklichkeit abgebildet, aber zusammen ergeben sie keine realistische, sondern eine programmatische Komposition.

Ein geheimnisvolles, ein rätselhaftes Bild: Unter hellem, abendlichen Himmel zwei leuchtende Gipfel, der eine unscharf, der andere klar. Davor eine fotografisch verkürzte, dunkelgrüne Landschaft, in der bestimmend ein Tisch steht mit den leuchtend weißen Tüchern und den Schädelknochen.

Tod und Leben scheinen sich in der Gegenüberstellung von Brot, Oliven und Schädel zu begegnen. Aber das weiße geknotete Tuch auf dem Skelett wirkt so, als müsse es Leben schützen.

Nähe und Ferne, Licht und Dunkel, Leben und Tod, Schönheit und Melancholie, Plastizität und Magie – alles ist in dem Bild enthalten.

HNA 25. 3. 1990

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