Ein Enkel von C. D. Friedrich

Der Berliner Maler Manfred Bluth war ein Kämpfer. Während er im Frühsommer vorigen Jahres für die Kommunale Galerie in Berlin eine Ausstellung „Meisterwerke einer Lebensreise“ vorbereitete, meldete er Freunden, dass er gerade einen „Zangenangriff von Krebs und Parkinson“ erleide. Aber er ließ sich nicht unterkriegen und arbeitete an einem Verzeichnis seines umfangreichen Gesamwerkes und plante für dieses Jahr eine weitere Ausstellung. Doch deren Eröffnung sollte er nicht mehr erleben. Bluth erlag 76-jährig seinem Krebsleiden und wurde gestern in Berlin beigesetzt.

Manfred Bluth war ein Ma1er, dessen Begabung früh erkannt wurde. Bereits als 15-jähriger begann er ein Kunststudium. Kriegsdienst und Gefangenschaft zwangen ihn zur Unterbrechung. Als er aber 1946 weiterstudieren wollte, wurde er wegen „Talentlosigkeit“ abgewiesen.

Diese Wechselbäder zwischen Anerkennung und Verkennung sollten sein Leben prägen. Manfred Bluth war nicht nur ein begabter und meisterlicher Maler, sondern auch ein erfolgreicher Künst1er. Sein kompromissloses Bekenntnis zur gegenständlichen Malerei führte dazu, dass Bluth vom Kunstbetrieb weitgehend ignoriert wurde. Auch als vorbildlicher Hochschullehrer an der Kunsthochschule Kassel (von 1974 bis 1991) waren er und sein gleich gesinnter Kollege Kurt Haug isoliert. Das verbitterte Bluth, aber er resignierte nicht, sondern versuchte, gemeinsam mit anderen realistischen Malern die Isolation aufzubrechen. 1973 gründete er mit seinen Freunden Grützke, Koeppel und Ziegler die „Schule der Neuen Prächtigkeit“, die sich dem Geist und der Malerei von Caspar David Friedrich verbunden fühlte.

Vor allem Bluth verstand sich als ein Enkel und Erbe von Friedrich. Immer wieder ließ er sich von monumentalen Landschaften und den weiten Himmeln, die sie überspannten, verzaubern. Draußen, direkt in der Natur fertigte er seine Skizzen an, nach denen er dann im Atelier seine Bilder malte.
Aber Bluth war kein naiver Realist, kein Maler, der nicht anders konnte. In seiner Entwicklung hatte er auch eine Phase abstrakter Malerei durchlaufen und in Kenntnis der freien Formen sich für die Rückkehr zur Gegenständlichkeit entschieden. Doch seine Landschaften waren nicht einfach Spiegelungen der Wirklichkeit. Sie waren wie bei C. D. Friedrich Bühnen und Spielräume für Geschichten, aufgeladen mit ironischen und surrealen Bedeutungen und manchmal durchsetzt von raffinierten Stilisierungen. Andererseits schlüpfte er als Porträtist gern in Kostüme, die er sich von seinen historischen Vorbildern lieh.

In einem Kraftakt versuchten Bluth und seine Freunde einen Aufbruch: Sie gründeten 1990 den „Künstlersonderbund in Deutschland“, in dem sich die Realisten verbündeten. 1993 und 1996 konnten sie auch zwei große Übersichtsausstellungen in Berlin erzwingen. Doch die Hoffnung, dass sie damit ihren Platz im Kunstbetrieb erhalten würden, erfüllte sich bisher nicht.

HNA 4. 1. 2003

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