Von der Wand in den Raum hinein

„Feuerstätte“ nennt Claudia Blume (Jahrgang 1955) ihre Installation, die sie für den großen Raum im Souterrain der Neuen Galerie in Kassel geschaffen hat.

Claudia Blume ist Malerin. Sie liebt die kräftigen, leuchtend bunten Farben, die sie unvermittelt neben- und übereinandersetzt. Farben sind für sie bereits Ausdruck genug. Aber sie ist auch eine Künstlerin, die den Holzschnitt liebt und pflegt. In tischplattengroße Tafeln schneidet sie elementare Zeichen und Figuren – Fisch und Stier, Herz und Adler. Es entstehen kraftvoll-expressive Drucke, deren mythisch-archaische Formen von einer schichtenweise aufgetragenen Malerei überzogen werden.

Aus der Verbindung von massivem Druckstock und intensiver Malerei hat sich ein
Drittes ergeben: Claudia Blume ist dazu übergegangen, ihre gemalten und gedruckten Zeichen und Figuren als eigenständige plastische Formen zu gestalten. Aus Holztafeln und -blöcken geschnitten und lustvoll bemalt, wachsen Stelen und an die Wand gelehnte Reliefplatten heran. Die Malerei löst sich von der Wand und gewinnt im Raum Gestalt. Allerdings entstehen keine vollplastischen farbigen Skulpturen, sondern Farbzeichen, die immer noch den Kontakt zur Wand brauchen, die Bildelemente bleiben.

Für den großen Souterrain-Raum der Neuen Galerie Kassel hat Claudia Blume aus solchen plastischen Elementen ihre Installation „Feuerstätte“ entwickelt. Das Zentrum bilden die auf dem Boden liegenden Figuren einer Frau und eines Mannes, deren Köpfe durch eine Sonnenscheibe getrennt bzw. verbunden werden. Um dieses Zentrum ordnen sich a den vier Wänden Bildzeichen, die auf die altägyptische Kultur (die Göttin Hathor in Kuhgestalt) ebenso verweisen wie auf Flammenzeichen (Pyramidenbaum) und Fruchtbarkeitssymbole (Fische).

Die Besucher, die den Raum betreten, kommen in ein Bild hinein, das wie aufgeschnitten und zerteilt erscheint. Aus der Ferne dominiert der malerische Eindruck, bei der Annäherung aber erweitert sich die Malerei zur plastischen Form. Zwischen den auf die verschiedenen Wände verteilten Elementen entstehen spannungsreiche Beziehungen, die auf die Grundzeichen des Lebens verweisen. Die entscheidende Kraft aber gewinnen die Farben, die in dieser Arbeit zu den Trägern der Formen werde und damit das traditionelle Verhältnis umkehren.

HNA 23. 11. 1994

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