Die große Kunst der Gestaltung

In einer Ausstellung würdigt der Kasseler Kunst- verein das grafische Schaffen von Prof. Karl Oskar Blase aus den Jahren 1949 bis 1995.

Aus der Rückschau ist die Situation kaum vorstellbar: Ende der 50er und Anfang der 60er Jahre waren die meisten der in der Bundesrepublik entworfenen Plakate trost- und ideenlos, schlicht provinziell. Neidlos mußte man anerkennen, daß in der Schweiz oder auch in Polen weit mehr Ideen und künstlerische Energien auf die Plakate verwandt wurden als in der Bonner Republik. Dann aber gab es um 1963 einen tiefen Einschnitt für den Bereich der Filmplakate: Der atlas-Filmverleih, der Klassiker in die Kinos holte und zugleich den jungen deutschen Film förderte, setzte mit seinen Plakaten und Programmen neue Maßstäbe. Auf einmal wurden nicht mehr Filmszenen mit altmodisch-schwungvollen Schriften aufs Plakat gebracht, sondern künstlerisch umgesetzte Bildzeichen und ebenso strenge wie massive Schrifttypen.

Obwohl diese Plakate für ein zeitlich klar umgrenztes Programm stehen, sind sie in ihrer Kraft und Symbolhaftigkeit so zeitlos, daß sie noch heute werben und wirken könnten. zahlreiche dieser Plakate (,‚Mein Onkel“, „Das Cabinett des Dr. Caligari“, „Der letzte Mann“, „Die 12 Geschworenen“, „Es“) hatte der damals knapp 40jährige Karl Oskar Blase gestaltet. Blase war 1958 als Dozent an die Werkkunstschule in Kassel gekommen, nachdem er in Wuppertal studiert und von 1952 bis 1958 das Atelier für die Ausstellungen in den Amerikahäusern geleitet hatte.

Diese Filmposter haben Geschichte gemacht und eine Neubesinnung eingeleitet. Zu einem Zentrum der neuen Plakatkunst wurde dabei Kassel durch die Lehrtätigkeit und gegenseitige Förderung von Hans Leistikow, Hans Hillmann, Jan Lenica, Karl Oskar Blase und Gunter Rambow; es entstand die legendäre Kasseler Schule der Plakatkunst.

Anläßlich des 70. Geburtstages von Blase dokumentiert eine Ausstellung im Kasseler Kunstverein das gestalterische Schaffen dieses Mannes, der sich stets gleichzeitig als Künstler, Gebrauchsgrafiker und Lehrer begriffen hat. Und alle drei Funktionen gehören auch zusammen: Der Künstler reflektiert das gestalterische Arbeiten, der Grafiker profitiert vom Künstlertum, und der
Lehrer sorgt für das kunsthistorische und theoretische Rüstzeug. Vor allem Blases Theaterplakate aus den 60er und 70er Jahren leben davon, daß der Gestalter in sie die Formen und Figuren aus seiner eigenen Bilderwelt einfließen ließ.

Vom Bauhaus der 20er Jahre hat Blase nicht nur die Rückbesinnung auf die Grundfarben Rot, Gelb, Blau sowie die geometrischen Strukturen übernommen, sondern auch die Sparsamkeit im Umgang mit der Farbe. Das Gros von Blases Plakaten besticht durch Klarheit; vor allem sind sie funktional – von weitem ist schon erkennbar, wofür sie werben.

Karl Oskar Blase hat gewiß so etwas wie eine Handschrift entwickelt, aber er bewahrte sich die Freiheit zu immer neuen Ansätzen. Die besten Beispiele bieten dafür die drei documenta-Ausstellungen, deren visulles Erscheinungsbild er gestaltete (1968, 1977, 1987): In allen drei Fällen dominieren die konstruktiven Elemente. Der Umgang mit der Farbe (1977 konzentrierte er sich ganz auf das Schwarz-Weiß) und den Formen führte aber zu Ergebnissen, zwischen denen Welten zu liegen scheinen.

Die Formgestaltung Blases ist umfassend. So wundert nicht, daß er selbst auch die Ausstellung einrichtete und den Katalog (312 S., 49 Mark) schuf, der zu einem Dokument der Plakatgeschichte geworden ist. Daß nicht nur die große Fläche, sondern auch das kleine Bild nach großer Kunst verlangt, verdeutlichen die Briefmarkenentwürfe, mit denen ebenfalls neue Wege gewiesen
hat.

HNA 3. 5. 1995

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