::: und liebt weiter in seinen späten Tagen, die Malerei der Welt, die großen Meister von gestern und heute, die Jungen, die aufbrechen! So wird die erste Liebe Anstoß, Aufbruch und Erfüllung seines Lebens. Arnold Bode, der documenta-Macher, schrieb 1975 dieses vitale Bekenntnis im 75. Lebensjahr, immer noch voller Pläne: Nur nicht zurückschauen und auf geernteten Lorbeeren ausruhen, sondern weitermachen und sich sowie die anderen fordern.
Arnold Bode, der Maler, Hochschullehrer und Ausstellungsgestalter, blieb bis zu seinem Tod im Jahre 1977 ein Energiebündel, erfindungsreich und begeisterungsfähig. Seine eigene Kunst trat hinter die Projekte, für die er kämpfte und die ihn international berühmt werden ließen, zurück. Seine Studenten wußten bisweilen, gar nicht, was dieser Anreger in seinem Atelier malte, wie Prof. Heiner Georgsdorf heute bekennt. Georgsdorf hat jetzt im Kasseler Kunstverein eine Ausstellung aufgebaut, die erstmals versucht, die Gesamtpersönlichkeit Bodes zu würdigen.
Die Vision in Wirklichkeit umzusetzen, der Utopie zur sinnlichen Gestalt zu verhelfen – das war Bodes große Leistung. So wurde die Idee einer internationalen Ausstellung der Moderne geboren, und so wurde die documenta auf Dauer für Kassel gewonnen. Doch ebenso wichtig wie das Heranholen der damals in Deutschland unbekannten Kunst war für Bode die Art und Weise der Präsentation. Es bedurfte schon der Fähigkeiten eines Regisseurs, in der Ruine des Museums Fridericianum ein für die Nachkriegszeit ideales Ausstellungshaus zu erkennen und dies in eine Bühne für die Kunst zu verwandeln.
Der Kunstverein bemüht sich, mit seinen – bescheidenen Mitteln – auf diese Ader Bodes einzugehen und so etwas wie eine Inszenierung zu schaffen: Wände mit Großfotos dokumentieren, wie Bode für Bilder und Objekte immer neue Ausstellungssituationen schuf; einige Wandteile sind in den Signalfarben gestrichen, die Bode auch für die documenta gewählt hatte; und in den kleineren Räumen wird das gleichmäßig sanfte Licht, das Bode mit Hilfe von Folien vor Fenstern erreichte, durch dämpfendes Architektenpapier nachempfunden.
Besonders gelungen ist die Gestaltung der einen Längwand im großen Saal: Im rhythmischen Wechsel hängen hier von Bode geschaffene Bilder und Fotos von Ausstellungsräumen. Die Botschaft ist klar: Der Maler ist immer in Beziehung zum Gestalter zu sehen, und der Macher hätte diesen Glanz ohne den Künstler nicht erreicht. Die beiden Seiten Bodes sind als Einheit zu sehen. Und es ist ein Verdienst der Ausstellung, daß sie nicht die eine gegen die andere Seite ausspielt.
Der Kraft und Persönlichkeit des Mannes, der die Ausstellungstechnik zur hohen Kunst erhob, fühlt man sich am nächsten, wenn man vor der Bildwand aus 24 Blättern steht, auf denen Bode seinen Traum vom Oktogon (auf dem der über Kassel schwebende Herkules thront) als dem zweiten Ausstellungsplatz für die documenta 1977 formulierte. Seine raumgreifende, aus der Körperbewegung entwickelte Schrift, in der er seine spontanen Ideen und Berechnungen notierte, wird durch die dynamischen Achsen, Kreise und Pfeile selbst zum Bild. Wie bei Joseph Beuys werden diese Gedankenentwürfe zu Kraftfeldern und Kunstwerken ganz eigener Art.
In einem Raum sind die Pläne und Entwürfe Bodes versammelt – für das Oktogon, die Münchner Ausstellung Demokratisches Grün und die Entwürfe für ein Stadt-Kulturforum. Auch für diese Pläne entwickelte Bode eine eigene, drastische Ästhetik mit weithin leuchtenden Farben. Gleich nebenan sieht man eine Serie von Zeichnungen, Skizzen meist, in denen Landschaftseindrücke und erste Überlegungen für Projekte mit meist kräftigen kurzen Strichen festgehalten sind. Den Zeichnungen Bodes ist auch der Katalog des Kunstvereins gewidmet.
Das Zentrum der Ausstellung bilden die Gemälde, die der Künstler und Kunstprofessor um 1960 schuf. Sein großes Thema blieb die Landschaft (der Wald) – auch dann noch, als er sich mit der Bildsprache der Abstrakten und Informellen auseinandersetzte. Einige frühe Bilder aus der Vorkriegszeit dokumentieren, wie Bode von offenen, lichtvollen Landschaften immer stärker zu dunklen, geschlossenen Kompositionen fand. Mit seinen um 1960 entstandenen Gemälden erreichte er die Höhe der Zeit: streng gebaute Bildblöcke, in denen die dunklen Massive die helleren Schichten überlagern.
Bode fing klar die Landschaftsimpressionen ein, ließ die Schatten der schwarzen Bäume auf die Bilder fallen, war aber stets zu heftig, zu spontan und universal, um sich nur darauf zu konzentrieren. Mit Farbflecken und Verwischungen kreiste er seine Motive ein, überlagerte sie und kratzte mit dem Pinselholz lebhafte Binnenzeichnungen in die Motive ein. Mit diesen Bildern ist man nicht so schnell fertig, wie man auf Anhieb denkt.
HNA 19./20. 11. 1986