Eine Stadt bekennt sich zu ihrem großen Sohn: Hunderte strömten gestern Abend in die documenta-Halle und ins Fridericianum, um die Feier und Ausstellungen zu Ehren Arnold Bodes zu erleben.
Es gibt Reden, die können einem die Augen öffnen, selbst dann, wenn sie keine neuen Fakten enthalten. Prof. Wieland Schmied, Präsident der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, hat in dem Festakt für den documenta-Begründer Arnold Bode eine solche Rede gehalten. In faszinierender Weise verband er persönliche Nähe mit kunsthistorischer Distanz und ließ ein ungemein lebendiges Bild des Mannes entstehen, der für Schmied eine Jahrhundertfigur war.
Schmied schilderte den Ma1er, Hochschullehrer, Designer und Ausstellungsmacher Bode in seiner komplexen Lebendigkeit: Als einen Mann, der ebenso zappelig wie schusselig war, der stets ein Bündel fragmentarischer Notizen mit sich herum trug und der der Bürokratie seine Visionen entgegensetzte. Für Schmied war Bode ein Macher, der nie den Glauben an die Utopie verloren hatte und der es vor allem schaffte, seine Träume in die Realität umzusetzen. Wie ein Feldherr habe Bode das Glück gehabt, der richtige Mann zur richtigen Zeit am richtigen Ort gewesen zu sein.
In seiner Rede machte Schmied auch bewusst, dass Bode bei allem Talent zur Malerei die eigene Künstlerschaft offenbar zu wenig gewesen sei. So habe er sich im entscheidenden Moment zum Überkünstler gemacht, der die Werke anderer ordnen und arrangieren konnte und der die Inszenierung einer Ausstellung zur Kunst gemacht habe. Bode habe das vermocht,
weil er immer höchsten Respekt für die Kunst der anderen und jenen Sinn für einen poetischen Raum gehabt habe, ohne den kein Mensch überleben könne.
Die Kraft und Präzision der Sprache machten die Rede Schmieds zum Ereignis an diesem Abend in der überfüllten documenta-Halle. Aus Anlass der Feier und den damit verbundenen Ausstellungseröffnungen waren zahlreiche Weggefährten und Schüler Bodes nach Kassel gekommen – allen voran seine Kinder Nele und Peter.
So gestaltete der sich anschließend von der Stadt gegebene Empfang zu einem riesigen Familientreffen, bei dem es viele kaum schafften, allen die Hand zu geben, die sie aus alter Zeit kannten. Zu Beginn hatte Oberbürgermeister Georg Lewandowski Bodes großartige
Leistung gewürdigt, mitten in dem noch von der Kriegszerstörung gezeichneten Kassel eine solche Ausstellung zu etablieren. Kulturdezernent Thomas-Erik Junge wies darauf hin, dass es nicht nur eine historische Persönlichkeit zu ehren gelte, sondern ein lebendiges Vorbild, das beispielhaft vorgeführt habe, wie man sich einmischen und vorwärts drängen müsse.
In ihrer Einführung in die Ausstellung Arnold Bode – Leben und Werk erläuterte die Leiterin der Neuen Galerie, Dr. Marianne Heinz, wie sich die Ausstellung und der Katalog ergänzen sollten. Die Ausstellung hat es vermieden, den documenta-Vater in den Mittelpunkt zu rücken. Sie kehrt zwei weniger bekannte Seiten hervor – Bodes erfolgreiches Wirken als Gestalter und seine Visionen zu Landschafts- und Kunstprojekten. Zu den Ehrengästen der Feierstunde gehörten die Bode-Preisträger Richard Hamilton und Penny Yassour, deren Ausstellungen im Museum Fridericianum anschließend mit ener Rede von Prof. Heiner Georgsdorf eröffnet wurden.
HNA 16. 12. 2000