Die Beharrlichkeit des Bildhauers

Das Rheinische Landesmuseum in Bonn hat Ansgar Nierhoff eine mehrteilige Ausstellung ermöglicht. Mit dabei ist seine Arbeit, die in Frankenberg für viel Aufregung gesorgt hatte.

Der 1941 in Meschede geborene Ansgar Nierhoff hatte sich zum Maurer ausbilden lassen, bevor er 1964 im nordhessischen Frankenberg sein Abitur nachholte. Mittlerweile ist Nierhoff international angesehener Bildhauer, lebt in Köln und hat seit 1988 eine Professur in Mainz. Seine Kontakte nach Frankenberg sind in den 30 vergangenen Jahren aber nicht ganz abgebrochen, so daß er 1993 dort zu einer Ausstellung seiner Arbeiten eingeladen wurde. Diese war unter dem Titel „Extrem“ alles in allem auch ein Erfolg. So fanden seine in der Frankenberger Liebfrauenkirche gezeigten „Eisenzeichnungen“, die Erinnerungen an Kreuzwegtafeln wecken, so viel Zustimmung, daß sie dort auf Dauer bleiben sollen.

Das Kapitel „Nierhoff in Frankenberg“ wäre also erfreulich zu Ende gegangen, hätten die Freunde moderner Kunst nicht im Überschwang ihrer Begeisterung dafür gekämpft, die in der Marienkapelle installierte Nierhoff-Arbeit „Ausgleich nach dem Bildersturm“ ebenfalls für immer an Ort und Stelle zu belassen. Nierhoff hatte mit dieser vierteiligen Arbeit (Stab, Kugel, zwei Kreissegmente) der einstigen Wallfahrtskapelle ein plastisches Werk zurückgeben wollen, nachdem 1607 Bilderstürmer sie um ihre reiche Ausschmückung gebracht hatten. Als aber den Ankauf perfekt zu werden schien und die Hessische Kulturstiftung die Ankaufsmittel bereitgestellt hatte, wurde der Widerstand so groß, daß eine mit höchster Erregung geführte Diskussion entstand und ein zweiter Bildersturm drohte. Schließlich räumte Nierhoff die Arbeit 1996 ab.

Was hatte diesen heftigen Widerstand ausgelöst? Zum einen war es sicherlich die Tatsache, daß diese in ihren Form zwar ganz konkrete, dann aber doch wieder abstrakte Arbeit nichts illustrierte, sondern sich nur auf die Kraft ihrer Gestaltung und der Proportionen bezog. Zum anderen hatte sie in diesem Kapellenraum etwas Unausweichliches. Man mußte sie wahrnehmen und sich mit ihr auseinandersetzen.

Diese Radikalität der Kunst provozierte die Radikalität jener Betrachter, die über keinen so offenen Bezug zur Moderne verfügen. Aber auch jetzt, da Nierhoff diese Arbeit im Zusammenhang mit seiner Ausstellung „Rotation“ in Bonn zeigt, hält er daran fest, daß sie eigentlich für Frankenberg bestimmt ist. Die vom Rheinischen Landesmuseum in Bonn arrangierte Ausstellung hat ihr Zentrum in einer früheren Zeitungs-Rotationshalle. Weitere Skulpturen sind im Außenraum der Stadt zu sehen. Die Frankenberger Arbeit ist dabei an der Nordseite des Bonner Münsters aufgestellt worden – und zwar in einer stark veränderten Form. Die beiden Kreissegmente, die in der Marienkapelle den Großteil der Grundfläche einnahmen und zum Betreten einluden, werden in Bonn im Depotzustand gezeigt: sie sind ebenso wie der Stab an die Kirchenwand gelehnt. Dadurch ergeben sich neue Bezüge, denn die Rundbögen der Kreisfläche harmonieren mit den Rundbögen im Mauerwerk. In Bonn wirkt die Skulptur leichter und spielerischer und weniger radikal. Sie ist ja auch nicht für diesen Ort gemacht.

HNA 24. 11. 1998

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