Es wird spannend. Die dOCUMENTA (13) verspricht, ein komplexes Gewebe zu werden – aus künstlerischen Beobachtungen und Eingriffen sowie Naturstudien, Expeditionen und gesellschaftlichen Interventionen. Knapp zwei Jahre vor dem Start liefert Carolyn Christov-Bakargiev im Monat mindestens einen Anlass, uns jetzt schon mit der nächsten documenta zu befassen. Ungewöhnlich daran ist, dass dieses Präludium nicht nur zu dem einen oder anderen Künstlernamen führt, sondern zu kleinen Netzwerken, in denen ohne Bedeutung ist, wer als Künstler, wer als Naturforscher oder als Diskurs-Teilnehmer (oder als alles zugleich) agiert.
Die in New York ansässige Künstlerinitiative AND AND AND tritt dabei wie ein Co-Kurator auf. Die Gruppe plant unterschiedliche Events zum Wechselverhältnis von Kunst und Gesellschaft und führt auf diese Weise Persönlichkeiten als Akteure ein, von denen (und deren Arbeiten) wir nicht wissen, inwieweit sie nur an die Fragestellungen der dOCUMENTA (13) heranführen oder ob einige von ihnen Teil der Ausstellung sein werden. Erst einmal umkreisen die Events und deren Protagonisten wie Monde den erst noch entstehenden Planeten dOCUMENTA (13).
Nachdem AND AND AND Ende Juni die 16 Beaver Group an dem US Social Forum in Detroit hatte teilnehmen lassen, schickte die Initiative jetzt den in Berlin lebenden kolumbianischen Künstler Francois Bucher auf seine zweite Expedition in die Bergwelt von Marcahuasi (Peru). Dort fasziniert ihn das „fotografische Plateau“, dessen rätselhafte Erscheinungen der Autor Daniel Ruzo entdeckt hat. Dieser weitgehend unbekannte Autor hatte in den Felsformationen bildnerische Gestalten wahrgenommen, die sich allerdings nur bei bestimmten Tageszeiten und Sonnenständen herausbilden und dann wieder verschwinden.
Es ist der Typus der „verschwindenden Figuration“ (auch bei Wolkenformationen zu beobachten), der Bucher interessiert und der ihn zu einem anderen Forscher führt: Der Mexikaner Jacobo Grinberg-Zylberbaum, der an einer Universität seines Heimatlandes lehrte, verschwand 1994 spurlos. Er hatte aktiv Schamanismus betrieben und hatte zugleich versucht, ihn zu erklären. Einen Bericht über die Expedition von Bucher will AND AND AND im September publizieren.
Bemerkenswert an der Expedidition von Bucher ist, dass es sich um das zweite Projekt im Zusammenhang mit der dOCUMENTA (13) handelt, das in die Natur und Gesteinswelt von Südamerika führt. Während Bucher die Bergwelt Perus erkundet, setzen sich Guillermo Faivovich & Nicolas Goldberg mit dem Meteoriten „El Taco“ auseinander, der vor 4000 Jahren in Nordargentinien eingeschlagen ist. Faivovich und Goldberg präsentieren ihr „El Taco“-Projekt im Herbst im Frankfurter Portikus und werden aus dieser Arbeit ihren Beitrag zur nächsten documenta entwickeln. – Nicht vergessen werden darf, dass im Zentrum der ersten installierten documenta-Arbeit ebenfalls ein Stein steht/liegt: Giuseppe Penones „Idee di Pietra“ (Ansichten eines Steines).
Derweil findet heute schon das dritte Event von AND AND AND statt: Die Künstlerinitiative hutzt das Sommerseminar der armenischen Sektion von AICA (Internationaler Kunstkritikerverband) für Kunstausstellungskuratoren, um am heutigen Abend in Eriwan ein Gespräch am Runden Tisch zu organisieren, in dem die Möglichkeiten und Probleme der Kunst und der Kunst-Präsentation erörtert werden. Dabei soll es um die unmittelbaren Fragestellungen vor Ort in den postsowjetischen Staaten gehen: Was vermag zeitgenössische Kunst, welche Rolle hat sie in der Gesellschaft, was können Kunsthochschulen und Kunstzentren leisten?
17. 8. 2010