Ansgar Nierhoff, 1941 in Meschede geboren, ließ sich zum Maurer ausbilden, bevor er über den zweiten Bildungsweg zum Studium der Bildhauerei fand. Den früh gewonnen Bezug zum Bauhandwerk und zur Maßgenauigkeit hat Nierhoff bis heute nicht aufgegeben. Seine Ausstellung im Kasseler Kunstverein liefert dafür handfeste Belege.
In einem der kleineren Räume hat Nierhoff auf dem Boden ein plastisches Bild installiert, dessen Grundgerüst direkt aus der Maurerpraxis übernommen ist: 18 unregelmäßige Steine fixieren Schnüre so, daß ein quadratisches Raster über dem Boden schwebt. Dem Raster ordnet der Künstler zehn gleichgroße Stahlblöcke zu, in die er rechtwinklige Kreuzungen hineingefräst hat. Die Schnitte erlauben, daß die Stahlblöcke genau an den Kreuzungspunkten dem Raster untergeordnet werden können. Da die rechtwinkligen Schnitte aber nicht durch die Zentren der Blöcke gezogen wurden, sieht es so aus, als würden die Stahlstücke aus dem Raster laufen. Die sich durchsetzende Ordnung wird erst auf den zweiten Blick erkennbar.
Freie, spielerische Zuordnung von Einzelobjekten zu einem Ganzen, das sich aus der Durchgängigkeit eines Gestaltungsprinzips ergibt, Beugung des anscheinend Unbiegsamen und konstruktive Bändigung des Ungeordneten – das sind Arbeitsgrundsätze eines Künstlers, der dem Material (meist Stahl) und sich das Äußerste abverlangt und dabei auch manchmal auf Wege gerät, die, wie er ehrlicherweise zugibt, erst einmal als Sackgassen erscheinen. Häufig knistert es förmlich noch im Nachhinein, wenn man sieht, wie Nierhoff Stahlplatten zusammen- und wieder auseinandergefaltet hat, als habe er es mit Papier zu tun, oder wie er aus gleichgroßen Stahlblöcken, die er in sich gedrittelt hat, die gegensätzlichsten Raumwinkel biegt. Es sind Formen gegen den Strich.
Ansgar Nierhoff hat einen schier unermeßlichen Ideenvorrat, der ihn befähigt, an immer neuen Punkten anzusetzen und Möglichkeiten der plastischen Gestaltung im Raum sichtbar zu machen. Seine Sockelobjekte haben daher immer auch Modellcharakter für in die Stadt-Landschaft zu übertragende Skulpturen. Die im Verhältnis zum Gesamtwerk kleine Ausstellung spiegelt die Vielfalt und ist spannungsreich aufgebaut.
Der handwerkliche Bezug reicht übrigens bis in das zeichnerische Werk, in dem plastisch Körper- und Raumvorstellungen gewonnen werden: Die schwarze Farbe (Schmiedelack), um die herum oder über der Nierhoff mit dem Graphitstift Positionen markiert, ist in dicken Bahnen mit der Maurer- Kelle aufgetragen. Das schafft gleich wuchtige Ausgangsflächen und -formen.
Die Zeichnungen allerdings enthalten nur in seltensten Fällen Vorüberlegungen zu plastischen Arbeiten. Sie bilden eine eigenständige und – mit ihren körperhaften Verdichtungen – zuweilen gegenläufige gestalterische Ebene gegenüber den Skulpturen.
HNA 6. 10. 1984