Geprägt und geschmiedet

Mit Eisenskulpturen und Eisenzeichnungen hat der Kölner Bildhauer Ansgar Nierhoff (Jahrgang 1941) mehrere Räume und Plätze im norhessischen Frankenberg besetzt.

Es wird viel darüber geredet, wie der Kunst auch auf dem Lande zum Durchbruch zu verhelfen sei. Viele Versuche der Umsetzung bleiben zaghaft, manche verfehlen das Ziel. Es gibt aber auch Glücksfälle. Ein solcher ist im nordhessischen Frankenberg zustande gekommen: Für einige Monate ist die Stadt mit ihrem bezaubernden Fachwerkkern eine wichtige Adresse für zeitgenössische Kunst.

Ermöglicht wurde das Ereignis dadurch, daß man sich erinnerte, daß der in Köln lebende und seit 1988 in Mainz lehrende Bildhauer Ansgar Nierhoff in Frankenberg das Abitur machte. Wäre dies nicht der Bezugspunkt für eine Ausstellung Nierhoffs? Die kunstsinnigen Bürger schlossen sich zu einem Kunsttreff zusammen, sie aktivierten Politiker in Stadt und Land und gewannen den Künstler für diesen Plan: Nierhoff lieferte nicht nur fertige Arbeiten ab, sondern entwickelte Arbeiten für fünf verschiedene Räume und Plätze.

Die großartigsten Beiträge sind in der gotischen Liebfrauenkirche hoch über der Stadt zu sehen. Für die Wände schuf er sechs Eisenzeichnungen, die, indem sie angebracht wurden, so wirkten, als gehörten sie immer schon zum Raum. Die Eisenzeichnungen, die von weitem wie Grabplatten erscheinen, bestehen aus relativ dünnen Eisenblechplatten, in die Nierhoff in der Schmiede geometrische Formensysteme geprägt hat. Es sind sehr klare und vielschichtige Reliefs. Die Eisenzeichnungen sind mit wirklichen Zeichnungen konfrontiert, die die impulsive Ausdruckskraft des Bildhauers bezeugen.

An die Kirche angebaut ist die Marienkapelle. Beim Bildersturm um 1607 ist ein Teil des Bildprogramms zerstört worden. Ansgar Nierhoff hat nun als zentrale Arbeit seines Frankenberger Projekts eine vierteilige Eisenskulptur für die Kapelle geschaffen, die sie ausfüllt und neu deutet. Wie in den meisten seiner größeren Projekte stellt und legt Nierhoff die verschiedenen Teile unverbunden nebeneinander. Die Verbindung wird innerlich hergestellt: Die unterschiedlichen
Formen haben die gleichen Volumina. Dies gilt auch in diesem Fall – die geteilten Kreisflächen auf dem Boden, die Kugel und der in Höhe weisende Stab sind jeweils aus der gleichen Menge Eisen gestaltet worden.

Auf ganz einfache Art hat Nierhoff den drei Formen der Bildhauerei Ausdruck gegeben
– ebene Dehnung (das Fundament für die Betrachter), Streckung in die Höhe (um das Bauwerk in seiner wahren Größe zu erleben) und Verdichtung in der runden Form (Konzentration auf den Punkt).

Ein weiterer Schwerpunkt der Frankenberger Nierhoff-Ausstellung ist das ehemalige St. Georgskloster (heute Landratsamt), in und vor dem der Bildhauer mehrere große und kleine Skulpturen zeigt, die geschmiedet, geschlagen und geprägt sind und die den Formenreichtum einer asketischen Bildsprache offenbaren. Auch werden dort Modelle zu anderen Projekten vorgestellt. „Extrem“ ist die Ausstellung betitelt. Doch sie wirkt auf die Bürger nicht so extrem, als daß diese sich nicht vorstellen könnten, zumindest eine Nierhoff-Arbeit zu behalten.

HNA 11. 10. 1993

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