Skulpturen, Installationen und Zeichnungen des Amerikaners Bruce Nauman zeigt das Städelsche Kunstinstitut in FrankIfurt bis 25. August.
Als der Belgier Jan Hoet seine ersten Gedanken zu einer Konzeption der documenta IX (1992) in Kassel entwickelte, da wählte er Bruce Nauman (Jahrgang 1941) als Dreh- und Angelpunkt. Zwar hat Hoet die Idee nicht weiterverfolgt, sozusagen um Naumans Werk herum die kommende documenta zu entwickeln, doch blieb für alle seine weiteren Überlegungen dieser Künstler die zentrale Figur.
Eine Antwort auf die Frage, wieso einem einzelnen Künstler eine so überragende Rolle zugewiesen wird, kann die Bruce Nauman gewidmete Doppelausstellung im Frankfurter Städel geben, die Skulpturen und Installationen aus den Jahren 1985 bis 1990 versammelt und dazu eine kleine Auswahl von Zeichnungen und Drucken enthält. Bereits die Arbeiten auf Papier offenbaren Naumans immenses schöpferisches Potential, das an keine Technik gebunden ist: Die Blätter bergen ebenso gut Zeichnungen wie malerische Formulierungen oder plastische Studien zu Reliefs und Skulpturen.
Bruce Naumans Werk ist mit keinem Medium zu identifizieren; es besticht durch eine beispielhafte formale Offenheit: Auf kleine Blätter zeichnet er monumentale Bilder, aus seiner Körpersprache entwickelt er Skulpturen, er baut Objekte und Installationen aus Fiberglas, Wachs und Stahl, experimentiert mit Sprache und Film und fasziniert mit Video-Installationen, in denen Monitore und Projektionen in einen vielschichtigen Dialog gebracht werden.
Naumans Arbeiten lassen wohl kaum einen Besucher ungerührt. Gleichwohl ist der Zugang zu ihnen nicht leicht, weil sie den Widersprüchen und Rätseln der Welt neue entgegensetzen und weil sie gleichnishaft subjektive und gesellschaftliche Bedrängnisse und Empfindungen in einer Weise umsetzen, die eher irritiert als erklärt. Bruce Nauman hält alles im Schwebezustand: Der Balanceakt der Wachsköpfe, die wie ein Karussell rotieren, die Torturen, die der Clown mittels Video transportiert, und die deformierten Tiere aus Wachs, die zu einer Zirkuspyramide formiert sind, wecken alle denkbaren, sich widerstreitenden Gefühle.
Die Heiterkeit wird demaskiert, der Kern der Gewalt freigelegt. Dergleichen Aussagen gehen fast zu weit, weil sich Nauman in seinem komplexen Werk niemals auf eine solch simple Eindeutigkeit einlässt. Stets antwortet er auf die menschlichen und soziale Verhaltensmuster, auf Aggression sowie die höchst subtile Formen der Folter, erst einmal mit ästhetischen Mitteln.
In der Frankfurter Ausstellung beeindrucken (und beklemmen) besonders die hängenden, sich drehenden und schleifenden Skulptur-Installationen mit Wachsköpfen und Tierkörpern. In ihrer Eindringlichkeit werden sie aber von den vielschichtigen Video-Arbeiten übertroffen, die hier die Qualität von Raum-Skulpturen erreichen.
HNA 26. 7. 1991