Eine kleine Kabinettausstellung hat der Kasseler Kunstverein dem 85jährigen Maler Kurt Bunge eingerichtet. Zu sehen sind Aquarelle von 1989/ 90.
Es ist genau 59 Jahre her, daß Kurt Bunge seine erste Ausstellung in Kassel hatte. Italien-Bilder hatte er damals gezeigt – als Ausbeute einer Reise, die ihm ein Stipendium ermöglicht hatte. Viele Ausstellungen waren mittlerweile von dem Künstler in Kassel zu sehen, der in der Nachkriegszeit in Halle zum Professor avanciert war, dann aber aus politischen Gründen in den Westen kam. Die jüngste Bilderschau, die nun in Kassel gezeigt wird, präsentiert wiederum ausschließlich italienische Motive. Es sind Aquarelle, die vor sechs, sieben Jahren im Zusammenhang mit einer Reise entstanden.
Die Bilder leuchten und strahlen. Sie erzählen vom Licht der südlichen Sonne und von der reizvollen Landschaft, in der die Häuser und Dörfer ihre einzigartige Struktur in der Auseinandersetzung mit den Bergen und Felsen finden. Die Bilder dokumentieren die Souveränität von Bunges Malerei: Obwohl das Aquarell vieles im Ungefähren und oft die Umrisse verschwimmen läßt, sind die Kompositionen fest gebaut, entstehen ganz plastische Strukturen.
Der Vorzug der Ausstellung ist, daß sie eine bisher öffentlich nicht gezeigte, in sich geschlossene Serie von 19 Aquarellen vorstellt, die Bunges Lust an Landschaft und Farbe bekunden. Sie lassen den Maler als jemanden erscheinen, der, wie Prof. Heiner Georgsdorf in seiner Eröffnungsrede sagte, sich über Jahre hinweg treu bleibt und von dem es folglich auch kein Alterswerk gibt.
Diese Feststellung ist richtig. Kurt Bunge gehört zu den Künstlern, die das Bild, das sie gemalt haben, nicht vergessen. Immer wieder kann er zu dem zu dem Malstil früherer Jahre zurückkehren – nicht etwa, weil er sich nicht weiter entwickelt hätte, sondern weil er so über-
legen ist, daß ihm alles gleich verfügbar bleibt.
Die Ausstellung im Kasseler Kunstverein, und das ist ihre eindeutige Schwäche, läßt Bunge konservativer erscheinen, als er ist. Vor allem blendet die Konzentration auf die schöne Aquarellserie die Tatsache völlig aus, daß dem Maler das Erzählen immer nur Vorwand für Malerei ist. Das heißt: Kurt Bunges Liebe gilt zwar den südlichen Landschaften und anderen attraktiven Motiven, aber vorrangig geht es ihm um die Platzierung von Formen und die Harmonie oder Konfrontation
von Farben. Die Anekdote, die Darstellung einer Landschaft, ist für ihn nur das Vehikel zur Umsetzung malerischen Vorstellungen.
Insofern vermittelt die Ausstellung ein unzureichendes Bild vom künstlerischen Wollen Bunges. Daß er die Formen und Techniken handwerklich beherrscht, war für ihn nie eine Frage. Schließlich ist er Restaurator.
HNA 1. 11. 1996