Wenige Tage vor Vollendung seines 87. Lebensjahres ist der Maler Prof. Kurt Bunge gestorben. In rund 60 Jahren hat er ein umfangreiches malensches Werk geschaffen.
Mit zwei Ausstellungen war Kurt Bunge im Jahre 1996 anläßlich seines 85. Geburtstages in Kassel gewürdigt worden. Die Realismusgalerie Fuldatal gab einen Überblick über seine breit gefächerte Malerei, und der Kasseler Kunstverein stellte eine Reihe bis dahin nicht gezeigter Aquarelle vor. Es sollten Bunges letzte öffentliche Auftritte in der Stadt werden, in der er seit 1959 lebte und die ihn erst relativ spät in seiner künstlerischen Bedeutung wahrgenommen hat. Kurt Bunge starb jetzt an den Spätfolgen einer Operation. Er hatte in den letzten Monaten sein im Garten gelegenes Atelier nicht mehr erreichen können.
Der aus Bitterfeld stammende Bunge hatte von 1928 bis 1931 an Burg Giebichenstein in Halle bei Charles Crodel und Gerhard Marcks studiert. Zwanzig Jahre später sollte er dort selbst erst Dozent und dann Professor werden. Doch Ende 1958 gab er seine Professur auf und ließ sein gesamtes Frühwerk zurück, um mit der Familie die DDR zu verlassen und sich in Kassel anzusiedeln. Er wollte seine künstlerische Freiheit zurückgewinnen. Den Rückhalt für die Entscheidung hatte ihm das Bewußtsein gegeben, daß er mit seiner Grafik und Malerei auch außerhalb der DDR Anerkennung gefunden hatte; so hatte der Deutsche Künstlerbund seit 1952 seine Werke mit ausgestellt.
Kurt Bunge war von Hauptberuf Maler – auch wenn er über weite Strecken sein Geld vornehmlich als Restaurator verdiente. Das Restaurieren hatte er frühzeitig von Grund auf erlernt und perfektioniert. Kein Wunder, daß er als Künstler gegen die handwerkliche Perfektion ankämpfte und daß er sich den schöpferischen Freiraum immer neu erwarb. So gibt es nicht wenige Bilder, in denen Bunge mit improvisierenden Pinselstrichen die handwerkliche Vollendung aufhob, um deutlich zu machen, worum es ihm ging – um die Kraft der Farben, um die Malerei.
Für Kurt Bunge bestand der Gegensatz zwischen gegenständlicher und abstrakter Malerei nicht. Er beherrschte und vereinte beide Ausdrucksformen. Schon in einem seiner frühesten erhaltenen Bilder, dem Doppelporträt seiner Eltern von 1937, gesellen sich zur Darstellung freie malerische, im Grunde abstrakte Zonen. Auch später wechselte Bunge spielerisch die Mittel, wenn es Farbe und Form zu fordern schienen. Eine Komposition, so meinte er, müsse sich auch dann noch behaupten, wenn man die Anekdote (die Darstellung) abziehe. Vor diesem Hintergrund wird man viele seiner Landschaften, Stilleben und Porträts anders und neu sehen.
Neben seinem Lehrer Crodel gehörten Picasso und Matisse zu Bunges großen Anregern. Es gab Phasen, in denen er mit seinen dunklen, zeichenhaften Gemälden Picasso näher war, dann wieder setzten sich die südlich-hellen Töne von Matisse mehr durch. Sehr früh hat Bunge seine Handschrift gefunden. Ihr blieb er treu – trotz der Entwicklungsstufen, die er durchlief. Er zählte zu den wenigen Künstlern, die frühere Perioden nicht für abgesch1ossen hielten. So kam es dazu, daß in den letzten Jahren Kompositionen und Malweisen aufgriff, die ihn in frühen Jahren beschäftigt hatten. Er lebte bis zum Schluß mit allen seinen künstlerischen Möglichkeiten.
HNA 7. März 1998