Im Atelier stehen farbenfrische Bilder – das Porträt einer Pianistin, eine südliche Landschaft, die aus herrlich leuchtenden, fast abstrakten Farbfeldern gebaut ist, sowie eine Reihe kürzlich überarbeiteter Gemälde. An den Tisch ist die Bleistiftzeichnung einer alten Bäuerin gelehnt. Das Blatt entstand 1936. Jetzt, 55 Jahre später, will Kurt Bunge daran gehen, diese Zeichnung in Malerei umzusetzen. Der Maler, der heute 80 Jahre alt wird, ist voller Tatendrang: Eigentlich male ich immer.
Dabei spielt für ihn die Frage der künstlerischen Entwicklung keine Rolle. Bereits seinen Studenten an der Burg Giebichenstein hat er vor 40 Jahren beizubringen versucht, daß Malerei mehr sein müsse als die Darstellung von etwas: Man muß, so lautet sein Prinzip, die Anekdote, das Motiv, von dem Gemälde abziehen können: Wenn dann die Komposition der Farben immer noch für sich stehe und spannungsgeladen sei, könne man das Bild als gelungen ansehen.
Folglich macht es für ihn keinen Unterschied, wenn er heute ein Porträt malt und morgen an einer rein konstruktivistischen Komposition arbeitet. Alle Bilder entspringen derselben Malfreude. So schließt sich für Bunge über die Jahre der Kreis. Da nimmt er ein Jahrzehnte altes Motiv erneut auf, hier überarbeitet er ein Gemälde und dann wieder beschreitet er einen neuen Weg.
Bunges geistige Väter sind Matisse und Picasso. Von Matisse hat er die Farbenpracht übernommen, von Picasso die Sichtweise der Figuren und die Lust an der Zirkuswelt. Aus diesen Quellen schöpfend, hat Bunge seine eigene Bildsprache entwickelt, die voller Poesie und Optimismus ist, die das Licht er-
strahlen läßt und die alle Formenelemente der Farbe unterordnet. Immer wieder ist es die Verteilung der Farben, die ihn dazu verleitet, nach Wochen, Monaten oder Jahren sich ein Bild erneut vorzunehmen.
Das schönste Geburtstagsgeschenk hat Kurt Bunge schon am 2. März erhalten: Da wurden im Roten Turm und in der Burg-Galerie in Halle zwei Ausstellungen seiner Werke eröffnet. Für den Maler, der in Halle studierte und dort an der Burg erst Dozent und später Professor war, sind diese Ausstellungen eine späte Wiedergutmachung. Denn aufgrund wachsender politischer Pressionen hatte er Ende 1958 alles in Halle aufgegeben und war mit seiner Familie nach Kassel übersiedelt. Im Spätherbst sollen die in Halle gezeigten Bilder auch in Kassel, im Dock 4, zu sehen sein.
HNA 14. 3. 1991