Bei der Neugestaltung des Aschrott-Brunnens vor dem Rathaus könnte ein einzigartiges Mahnmal für die zerstörerische Politik des Dritten Reiches entstehen. Einen entsprechenden Vorschlag hat der Kasseler Künstler Horst Hoheisel erarbeitet, der mit Stahl und Wasserplastiken weit über die Region hinaus Anerkennung gefunden hat.
Hoheisel ist gepackt von der Geschichte des Brunnens: 1908 von dem Fabrikanten Sigmund Aschrott gestiftet, wurde der Brunnen im April 1939 von den Nationalsozialisten zerstört, weil Aschrott Jude war. Auch den Gedanken, die alte Form des Brunnens – in der Mitte ein rund elf Meter hoher Obelisk, um den den sich vier kleinere Pyramidentürme gruppieren – wiederherzustellen, findet Hoheisel gut. Doch er hält nichts von einer bloßen Rekonstruktion. Er will die alte Form wiedergewinnen und zugleich deren Zerstörung sichtbar machen:
Er schlägt vor, die zerstörte Form als hohlen Betonkörper in der Brunnenmitte mit der Spitze nach unten (also spiegelverkehrt) in den Boden versenken –
als Vertiefung in die eigene Geschichte. Gleichzeitig sollte die derzeitige Brunnenfläche so umgestaltet werden, daß sie begehbar wird. Über den in den Boden versenkten Turm sollte eine Panzerglasscheibe gelegt werden, damit man sieht, wie der Stachel in den Grundwasserspiegel hineinragt.
Horst Hoheisel ist nach Gesprächen mit Experten überzeugt, daß sein Vorschlag für 100 000 bis 200 000 Mark realisierbar sei. Er will auch die derzeitige (ursprüngliche) Einfassung des Brunnens herausbrechen, um die Fläche zugänglich zu machen und Gestaltelemente für den Platz zu gewinnen.
Hoheisels Vorschlag hat bei den Verantwortlichen im Rathaus große Beachtung gefunden. Derzeit wird die bautechnische Umsetzung geprüft. An eine Einbeziehung in die docuinenta-Planung ist derzeit wohl nicht mehr gedacht. Vielmehr will die Stadt den Brunnen möglichst gleichzeitig mit dem gesamten Rathausvorplatz neu gestalten. Den Zuschlag für die Platzgestaltung könnte möglicherweise der documenta-Künstler Dani Karavan erhalten.
HNA 5.11. 86