Die Sprache der Gewalt

Der mit 15 000 Mark dotierte Kasseler Arnold-Preis soll in diesem Herbst dem in München lehrenden Künstler Olaf Metzel (Jahrgang 1952) verliehen werden.

Unsere Welt ist voller Haß und Gewalt. Der aus Berlin stammende und in München lebende Künstler Olaf Metzel erlöst uns nicht von den Bildern der Gewalt, sondern bringt sie uns verschärft in Erinnerung, auch dann und gerade dort, wo wir sie nicht erwarten. Als Westberlin 1987 Geburtstag feierte, da störte Metzel die Festtagsstimmung, indem er einen Berg aus aufeinandergetürmten rot-weißen Absperrgittern zu seinem Beitrag für den Skulpturenboulevard auf dem Kurfürstendamm machte. Sein Barrikadenturm sollte an einen Gewaltausbruch im April 1981 erinnern. Zeitweise wurde Metzels Werk von der Wirklichkeit eingeholt, als nämlich im Gefolge der Kreuzberger Ausschreitungen zum 1. Mai tagelang auch der Kurfürstendamm in den Belagerungszustand versetzt wurde.

Noch radikaler war Metzel vorgegangen, als er 1982 kurzzeitig eine Berliner Wohnung übernommen hatte, aus der Türken vertrieben worden waren. Die Hausflurwand neben der Wohnungstür bearbeitete er mit Hilfe einer sich in den Putz einfräsenden Trennscheibe in der Weise, daß ein riesiges Hakenkreuz entstand. Der bittere politische Kommentar des Künstlers mochte damals als übertrieben empfunden werden, die Entwicklung jedoch ließ die Dimensionen des Terrors weit schrecklicher werden. Insofern wird durch die Entscheidung der Jury des Arnold-Bode-Preises mutig und zielbewußt ein Künstler
ausgezeichnet, der mit seinen Arbeiten gesellschaftliche Zustände und Abläufe kritisch kommentiert.

Nur scheinbar verzichtet Metzel auf eigene künstlerische Ausdrucksmittel. Der Berliner Barrikadenturm bestand in Wahrheit nicht aus gewöhnlichen Absperrgittern; vielmehr hatte Metzel diese Objekte der Abwehr für seine Skulptur auf die doppelte Größe bringen lassen. Metzels zur documenta 8 (1987) angefertigte Wandarbeit in den Treppenhäusern des Museum Fridericianum war hingegen eher stillerer Art, sie schien ganz mit der Wiederholung gleicher Formen zu spielen. Zur Berliner „Metropolis“-Ausstellung (im Gropius-Bau) hingegen setzte er mit einem Trümmerhaufen der Gewalt bei Großsportveranstaltungen ein Denkmal.
Der Kasseler Bode-Preis ist zu Ehren des documenta-Gründers Arnold Bode gestiftet worden. Vorwiegend wurden bisher Künstler mit dem Preis ausgezeichnet, die auf der documenta vertreten waren — unter anderem Gerhard Merz, Mario Merz, Gerhard Richter, Wolfgang Laib, Rebecca Horn und Thomas Schütte.

HNA 20. 4. 1994

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