Forschungszentrum – chronisch unterfinanziert

Das documenta Archiv wird 50 Jahre alt

Der Begründer der documenta, Arnold Bode (1900-1977), war immer fordernd. So setzte er im Januar 1961, als es um die Vorbereitung der documenta III ging, die Stadt unter Druck. Eine Fortsetzung der documenta, so schrieb er, sei nur unter der Bedingung möglich, „daß für die Vorbereitung ein Institut oder besser gesagt ein Archiv gegründet wird, denn beim drittenmal kann man nicht wie bei den ersten beiden documenten die Vorbereitung so improvisieren, wie wir es beidesmal tun mußten“.
Arnold Bode hatte Recht. Es war ein Unding, dass nach Schluss der Ausstellung jeweils die Büros aufgelöst wurden und die Kataloge und Künstlerbiographien in Privatbibliotheken verschwanden. Ganz zu schweigen vom Verbleib der Briefdokumente und Akten. Andererseits war es nicht verwunderlich, dass vorher niemand (außer Bode) an die Gründung eines Archivs gedacht hatte, weil ja erst allmählich klar wurde, dass die einstige Begleitausstellung der Bundesgartenschau 1955 zu einer Institution werden sollte.
Die Stadt reagierte überraschend schnell. Zum 1. Juni 1961 wurde das documenta Archiv gegründet. Aus dem Arbeitsarchiv der documenta-Organisatoren wurde bald eine der größten Spezialbibliotheken zur Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts – mit 30.000 Monographien und über 65.000 Katalogen sowie 150 laufenden Zeitschriften. Dazu kommen 250.000 Presseausschnitte, 25.000 Dias, 12.000 Fotos und 3000 Videos. Auch konnte Archivleiterin Karin Stengel beträchtliche Drittmittel einwerben, um die Bestände zu digitalisieren. Somit hat das documenta Archiv, das hinter dem Museum Fridericianum im Kulturhaus Dock 4 untergebracht ist, gute Voraussetzungen dafür, ein internationales Forschungszentrum zu werden.
Allerdings leidet das Archiv unter dem Geburtsfehler, dass es ein städtisches, chronisch unterfinanziertes Institut ist. Längst hätte das Land Hessen wie bei der documenta-Gesellschaft in die Trägerschaft einsteigen müssen. Jetzt gibt es die Hoffnung, dass die Stadt und das Land gemeinsam das Szeemann-Archiv für das documenta Archiv erwerben und damit Hessen in die Pflicht genommen wird, die Ausstattung des Archivs personell, räumlich und finanziell zu verbessern.
Das 50jährige Bestehen feiert das documenta Archiv mit einer Tagung zu Laurie Anderson in der Ev. Akademie Hofgeismar (27.-29. Mai) und einem Festakt sowie einer Performance von Laurie Anderson im Staatstheater Kassel (28. Mai, ab 18 Uhr, Wiederholung der Performance 29. Mai, 20 Uhr).

Kunstzeitung, Mai 2011

Neuerscheinung: „… nach der documenta: 50 Jahre documenta Archiv für die Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts“. Mit Beiträgen von Walter Grasskamp, Karin Stengel, Friedhelm Scharf, Martin Groh, Heide Radeck und Dirk Schwarze

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