Er will Malerei

„Grützke, Johannes. geb. 30. 9. 1937 in Berlin, deutscher Maler, Vertreter des Kritischen Realismus…“ So heißt es in Herders Lexikon der Kunst“. Dieser Johannes Grützke gestaltet die Bühnenbilder zu der Kasseler Neuinszenierung von „Romeo und Julia“. Premiere am 12. März. Grund genug, ein Gespräch mit ihm zu suchen.

Wir treffen uns morgens im Hotel zum Frühstück. Nicht alle Künstler sind Morgenmenschen. Doch Johannes Grützke tritt frisch und entgegenkommend auf. Das verschmitzte Lächeln hinter der Brille ist herzlich und hintersinnig zugleich. Und schon sind wir bei Kaffee und Brötchen mittendrin: Ob ich denn wisse, daß er am 21. April im tif auch einen Auftritt haben werde? „Wortkunst“ habe man die Veranstaltung betitelt.

Weit weg ist die Malerei. Grützke berichtet von seinen dichterischen Ausflügen und kommt ins Erzählen: „Wenn ich in der Bahn sitze, dichte ich immer Balladen.“ Einen Moment später setzt er an, um in dem fast leeren Frückstückssalon eine vertonte Ballade anzusingen. Sollten wir nicht doch einmal von der Malerei reden? Ja, natürlich: Grützke feiert den ebenfalls mit Berlin verbundenen und in Kassel lehrenden Prof. Manfred Bluth mit seiner realistischen Malerei als den wahren Avantgardisten. Fast wäre er selbst auch mal an die Kasseler Hochschule als Lehrer gekommen, Bluth zuliebe, aber im Grunde wolle er gar keine Professur, sondern mehr Zeit für sich und seine Arbeit.

Damit sind wir fast beim Thema: Seit vielen Jahren schon ist Johannes Grützke künstlerischer Berater von Peter Zadek, hat er für zahllose Inszenierungen von Zadek Bühnenbilderge1 schaffen, angefangen mit „Kleiner Mann, was nun?“ Doch nun möchte er aufhören: „Theater verlangt soviel Anwesenheit, vor allem bei Zadek. Ich aber bin lieber in meinem Atelier.“

Trotzdem hat er sich darauf eingelassen, die Bühnenbilder für „Romeo und Julia“ in Kassel zu schaffen, überredet und eingeladen von Regisseur Jaroslav Chundela. Sechs Entwürfe hat er abgeliefert – Pastelle auf Packpapier (einen Meter breit), die im Malersaal auf 5×5 bzw. 6×5 Meter große Prospekte umgesetzt werden. Der Künstler ist des Lobes voll für die Malerwerkstatt: „Die malen so artig ab, das man auch im Großformat das Pastell sieht.“ Aber eben das will Grützke nicht. Er will die Malerei. Folglich reist er während der Proben gelegentlich per Bahn an und „kommt vom Bahnhof und malt drei Prospekte neu“.
Doch in den Bühnenbildern will er nicht triumphieren. „Das Bühnenbild“, so bekennt er, „darf man eigentlich gar nicht bemerken.“ So sehr solle es sich in den Dienst der Inszenierung stellen.

8. 3. 1989

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