Dalí, der Tod und die Unsterblichkeit

Der Exzentriker Salvador Dalí war als surrealistischer Maler in den 50er- und 60er-Jahren kein Thema für die documenta. Insbesondere die Ausstellungen von 1955 und 1959 hätten für sein Werk Plattformen sein können. Aber die Ausstellungsverantwortlichen machten einen Bogen um Dalí. Wenn er trotzdem in der Künstlerliste der frühen documenta-Jahre auftaucht, hatte er das seiner subtilen Zeichenkunst zu verdanken. 1964 war er mit einer figürlichen Zeichnung in der Abteilung Handzeichnungen vertreten. Was dort von ihm zu sehen war, hatte allerdings nichts mit der überbordenden Phantasie des Surrealisten zu tun.

Dalí schien für die documenta ein abgeschlossenes Kapitel zu sein, zumal es im Spätwerk des Künstlers auch zahlreiche zweifelhafte Aktionen gab. Umso überraschender ist, dass sich die kommende dOCUMENTA (13) des Spaniers annimmt – erst einmal als Thema für das Notebook 039.

Dali: Spanien Dalí: Le grand paranoique

Der Surrealist Dalí wird in diesem Heft aus seiner exzentrischen Ecke herausgeholt und als ein Mann geerdet, der sich sehr intensiv mit den Forschungsergebnissen der Naturwissenschaften (DNA-Struktur) auseinandersetzte und entsprechende Zeitschriftenartikel mit Kommentaren versah.

Gleichzeitig präsentiert das Heft zwei Gemälde Dalís (Spanien und Le grand paranoique) von 1936 und 1938 – also aus der Zeit des Spanischen Bürgerkrieges -, die das Bild des opportunistischen Künstlers korrigieren. Die beiden Gemälde zeugen von einer tiefen und leidenschaftlichen Auseinandersetzung mit den Folgen des Krieges und dem Schicksal seines Landes. Sie passen vorzüglich in Christov-Bakargievs Konzept „Collapse and recovery“.

In einer Einführung zu den Bildern sowie Faksimiles von Dalí-Texten beschäftigt sich der spanische Autor Ignacio Vidal-Folch mit dem Wechselverhältnis von Tod und Unsterblichkeit bei dem Künstler. Es ist viel darüber geschrieben worden, dass Dalí zeitlebens darunter litt, dass er den selben Namen wie sein Bruder erhielt, der kurz vor seiner Geburt gestorben war. Diese Doppelidentität ließ für ihn von Kindesbeinen an den Tod präsent sein. Aber auch genau deshalb sehnte er sich nach der Überwindung des Todes und der Erlangung von Unsterblichkeit.

Vidal-Folch nun schreibt in seinem Essay, wie sehr die technischen und naturwissenschaftlichen Forschungen die Aussichten vergrößert hätten, das Leben um Jahre, Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte zu verlängern. Ob die Bedingungen dieses Überlebens immer erstrebenswert sind, steht auf einem anderen Blatt. Aber klar wird, dass Dalís Unsterblickeits-Sehnsucht nicht unbedingt mit Größenwahnsinn gleichzusetzen war, sondern dass es für dieses Verlangen eine handfeste Basis gab – in der eigenen Biographie und in den Technik- und Naturwissenschaften.

Jetzt wird Dalí auf der documenta-website offiziell als Künstler der dOCUMENTA (13) vorgestellt.

11. 1. 2012

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