Beuys, Bäume und Büsche

30 Jahre ist es her, dass Joseph Beuys als Beitrag zur documenta 7 seine Aktion „7000 Eichen“ startete und vor dem Museum Fridericianum den ersten Baum pflanzte und daneben mit seinen Helfern eine Basaltstele setzte. In einer kleinen Feierstunde wurde am 16. März am Kulturbahnhof das Beuyssche Werk, mit dem der Künstler das Museum verließ, um die Stadtwirklichkeit zu verändern, gewürdigt und aus diesem Anlass die Straße, die vom Bahnhofvorplatz (Rainer-Dierichs-Platz) oberhalb des Polizeipräsidiums zu de Speditionshallen des alten Hauptbahnhofs führt, nach Joseph Beuys benannt. Und da immer wieder einige Baumstandorte der „7000 Eichen“ aufgegeben werden müssen und so stets ein Vorrat von Stelen vorhanden ist, wurde als Merkzeichen für die Joseph-Beuys-Straße ein Baum gepflanzt und durch eine Basaltstele ergänzt.

Die älteren Bäume haben tiefe Wurzeln geschlagen. Ganze Alleen sind entstanden. Und nachdem sich anfangs viele Bürger gegen die Aktion „7000 Eichen“ gestellt hatten, da einige Bäume auch auf Parkplatzflächen gesetzt wurden und weil über mehrere Jahre der Keil mit den Basaltsteinen auf dem Friedrichsplatz lagerte, hat sich das Gros der Bürger mittlerweile mit den Bäumen abgefunden oder angefreundet.

Die Vollendung seiner Aktion, die Beuys als einen Beitrag zur sozialen Plastik verstand, konnte der Künstler nicht mehr erleben. Er starb 23. Januar 1986, kurz vor seinem 65. Geburtstag. Den letzten Baum pflanzte Beuys-Sohn Wenzel zur Eröffung der documenta 8.

„Stadtverwaldung statt Stadtverwaltung“ hatte Beuys seine Aktion im Untertitel genannt. Er wollte die Bäume und das Grün gerade an den Orten durchsetzen, an denen die Planer Bedenken hatten oder Widerstand leisteteten. Dennoch wurden das Pflanzteam von Beuys und das städtische Gartenamt sehr schnell zu Partnern. Man arbeitete schließlich produktiv zusammen.

Die Pflanz-Aktion war das eine. Das andere war die aktive Annahme des von Beuys gemachten Geschenks und damit die Übernahme der Verantwortung für die Pflege und Wahrung der „7000 Eichen“. Vor allem dann, wenn Bäume beschnitten oder (aus Planungsgründen) gefällt werden sollten, ergaben sich Reibungsverluste.

Es ist der Stadtverordnetenvorsteherin Christine Schmarsow zu danken, dass diese Beliebigkeit ein Ende nahm. Sie organisierte einen Runden Tisch zu „7000 Eichen“. Während der Beratungen wurde klar, dass die Stadt nie offiziell das Kunstwerk als ein zu pflegendes Kunstwerk übernommen hatte. Für den Runden Tisch formulierten Christine Schmarsow, Hans-Ulrich Plaßmann und ich „7 Thesen zu 7000 Eichen“. Diese sieben Thesen wurden wie ein Grundgesetz von der Stadtverordnetenversammlung ohne Abstriche verabschiedet. Und auf Grundlage der Thesen wurde ein Beirat ins Leben gerufen, der die Einhaltung der Grundsätze garantieren soll. 2002 schließlich wurde durch die Gründung der Stiftung „7000 Eichen“ die Sicherstellung und Weiterentwicklung der die Stadt überziehenden Skulptur abgeschlossen.

Mit „7000 Eichen“ hat Joseph Beuys den Kunstraum genutzt, um die Kunstidee in ein Stück Planungswirklichekeit zu verwandeln. Damit wurden die kreativen Visionen, die Beuys 1972 in seinem documenta-Büro propagiert hatte, greifbare Wirklichkeit.

Beuys wirkt nach – bis in die dOCUMENTA (13) hinein. Der Arte povera-Künstler Giuseppe Penone, der sich schon immer mit dem Wechselverhältnis von Skulptur und Natur beschäftigt hatte, hat mit der Aufstellung seiner Skulptur „Idee di Pietra“ (Juni 2010) eine Verbeugung vor Beuys gemacht. Er stellte in der Karlsaue den Bronzeguss eines Baumstammes mit kräftig beschnittener Baumkrone auf, in der ein riesiger Findling ruht. Gesellte Beuys jedem seiner Bäume eine Basaltstele hinzu, lässt Penone auf rätselhafte Weise im Baum den Stein wie eine graue Wolke schweben. Der Baum ist aber tot, er wächst nicht. Und dennoch sendet er eine Lebensbotschaft aus. An den Stamm ließ Penone eine kleine Ilex-Palme pflanzen, die für das langsame Wachstum steht.

Im Herbst vorigen Jahres kamen als Vorboten der dOCUMENTA (13) zwei weitere Bäume hinzu. Carolyn Christov-Bakargiev und Jimmie Durham pflanzten auf dem Areal des früheren Obstgartens der Karlsaue (südöstlich der Orangerie) zwei Apfelbäume, die nicht nur für die Durchgrünung und Verwaldung stehen, sondern für die Sicherung der Ernährung. Durham brachte aus seiner Heimat die Erinnerung an einen „black apple“ mit und CCB schuf eine Verbindung zwischen heutiger Obstbaumkultur und der deutschen KZ-Wirklichkeit, in der Korbinian Aigner Apfelsorten züchtete.

Bäume pfanzen für die Kunst. Das geschieht auch auf einer über dem Boden schwebenden Insel vor dem Staatstheater. Noch kann man nicht ungehindert hineinschauen, doch man ahnt, dass da eine sehr versdichtete Strauch- und Baumkultur heranwächst.

Auch auf der Karlswiese entsteht eine Hügellandschaft mit Pflanzen, Büschen und kleinen Bäumen. Die unterste Schicht des kleinen Gebirges besteht aus Schutt – wie der Rosenhang, der auf dem Trümmerschutt der Kasseler Innenstadt angelegt wurde. Auf die Schuttschicht wurde Mutterboden aufgetragen und geformt. Es sieht aus, als würde eine Traumlandschaft entstehen.

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