Nicht nur Pferdemaler

Wenn der Name des Malers Kay H. Nebel genannt wird, dann fällt sofort das Stichwort „Pferdemaler‘. In der Tat: Nebel war kaum wie ein anderer Künstler ein Pferdenarr, ein Maler, den es immer wieder in die Welt oder in den Zirkus trieb, um in der Stallatmosphäre seine Tierstudien zu betreiben. Er verstand es, die realistische Sehweise mit der klassischen Weitsicht zu vereinen, und er wurde auf diese Weise zu einem der wichtigen Wortführer der Neuen Sachlichkeit, die sich in den 20er Jahren in der Abgrenzung zur Abstraktion herausbildete. Heute vor 100 Jahren wurde Kay H. Nebel geboren.

Es wäre jedoch falsch, das Schaffen Nebels auf den Begriff „Pferdemaler“ zu verkürzen. Richtig ist, daß er sich nie beirren ließ und stets die Auseinandersetzung mit der Natur suchte. Neben den Tieren war es die Seefahrt, die den aus Schleswig- Holstein kommenden Maler faszinierte. Nebel aber hatte als Künstler mehr zu bieten, vor allem leistete er auch Wesentliches als Lehrer.
Erst auf Umwegen hatte der Handwerkersohn die Kunstgewerbeschule in Berlin besuchen können. Dort wurde er in seiner Motivwahi schon von seinem Lehrer Prof. Max Koch geprägt, der durch seine Vorliebe für Pferde bekannt war. Nach dem Ersten Weltkrieg, aus dem er schwer verwundet heimkehrte, übernahm Nebel seinen ersten Lehrauftrag in Darmstadt. 1920 wurde er als Professor an die Staatliche Kunstakademie Kassel berufen und mit deren Leitung beauftragt. Hier leistete er über Jahre hinweg (bis zur Schließung der Akademie durch Notverord im Jahre 1932) prägende Arbeit.

Nebel starb nach langer schwerer Krankheit am 17. Januar 1953. Zwanzig Jahre später würdigte der Kasseler Kunstverein ihn und sein Werk in einer Gedächtnisausstellung.

Große Anerkennung hatte der Maler 1925 erfahren, als in der Mannheimer Ausstellung, die der Neuen Sachlichkeit gewidmet war, seinen Werken ein eigenes Kabinett eingerichtet worden war. Auch innerhalb der ständigen Ausstellung der Kasseler Malerei im Untergeschoß der Neuen Galerie wurde Kay Nebel ein eigener Raum eingerichtet. In ihm wird die künstlerische Vielfalt des Malers sichtbar: Die faszinierendste Arbeit ist das 1921 entstandene Gemälde „Leoparden‘, das in seiner Kompositionsweise und Dynamik stark an die Sehweise von Franz Marc erinnert. Die beiden Leoparden, die umeinander zu schleichen scheinen, sind in ihrer Geschmeidigkeit hervorragend eingefangen. Die gedeckten, aber intensiven Farben verstärken das Unheimliche. Gegenüber hängt eine Landschaft, die Nebel 14 Jahre später malte: In diesem „Blick aus dem Atelierfenster in die Karlsaue“ verbinden sich expressionistische Schlankheit der Figuren mit einem stilisierten Realismus. Herausragend das ganzfigurige, sanfte Porträt seiner Frau (1925-27), das erst 1991 in die Neue Galerie kam und zu Recht außerhalb des Nebel-Raumes hängt. In diesem Gemälde scheint die Frau ganz in der Natur aufzugehen.

1.4. 1988

Schreibe einen Kommentar