Aus Picassos Bilderflut

Gute Gründe, das Werk des spanischen Malers und Bildhauers Pablo Picasso (1881-1973) zu zeigen, gibt es immer wieder. Das Erlebnis der Arbeiten dieses überragenden Künstlers des 20. Jahrhunderts ist stets aufs Neue herausfordernd und befruchtend. Und da Picasso eine so unüberschaubare Bilderflut hervorbrachte, ist die Gefahr gering, dass zwei Ausstellungen seines Werks identisch sind.
Der Anlass für die Ausstellung in der Neuen Nationalgalerie in Berlin ist der 20. Geburtstag des Musee National Picasso, in das die Bilder und Skulpturen gelangten, die Picasso nicht verkauft oder verschenkt hat. Es sind also die Werke, die ihm besonders am Herzen lagen. Daher der Ausstellungstitel „Pablo. Der private Picasso“. Ein schöner Titel und wieder eine schöne und umfassende Begegnung mit Picassos Werk. Doch verspricht der Titel mehr Unbekanntes und Privates, als die Ausstellung bieten kann.
Die Zahl der Werke ist beschränkt, die bisher wenig oder kaum in anderen Zusammenhängen gezeigt wurden und die neue Aspekte bieten. Ausnahmen sind das völlig aus dem Rahmen fallende pointilistische Gemälde „Die Rückkehr von der Taufe“ von 1917 und das sehr persönliche Porträt „Olga nachdenklich“ von 1923. Zu den Höhepunkten der Schau mit ihren 90 Gemälden und Skulpturen sowie 80 Zeichnungen und Grafiken gehören gewiss die drei Gemälde, die Picasso 1923-25 von seinem Sohn Paul schuf, die alle etwas Fragmentarisches haben und von denen „Paul als Harlekin“ das berühmteste ist.
Eine außerordentlich wichtige Begegnung ermöglichen die späten Gemälde, in denen der 90-jährige Picasso einen groben, plakativen Malstil bevorzugte. Ansonsten präsentiert die Ausstellung den Künstler in seiner vertrauten Vielfalt: Nimmt man es genau, dann gibt es den typischen Picasso nicht. Trotzdem ist seine Handschrift in jedem seiner Werke unverkennbar.
Die Besucher können in der chronologisch geordneten Schau den Entwicklungsgang des Künstlers nachvollziehen: Von den gegenständlichen Bildern der blauen und rosa Periode über die Werke des Kubismus und die frühen Collagen, weiter zu den neoklassischen Figurengemälden und bizarren Abstraktionen bis hin zum Alterswerk.
Pablo Picasso, auch das zeigt die Ausstellung, blieb bei allen Experimenten mit dem Kubismus und der Abstraktion dem Gegenständlichen und Figürlichen verpflichtet. Den Beweis dafür liefert der Querschnitt durch sein grafisches Werk, das sein malerisches Schaffen stets begleitete. Aber Picasso verstand es nicht nur, eine komplexe Form auf wenige Linien zu reduzieren, sondern er vermochte auch, die Fantasie der Betrachter zu aktivieren. Die Kombination aus Fahrradlenker und Sattel ist wahrlich ein Stierkopf.

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